Mittwoch, 19. Juni 2013

+++BARACK UNTER FREUNDEN, oder ein lockerer Präsident ohne Jackett+++


Es war der Höhepunkt des Obama-Besuchs in Berlin: In seiner Rede vor dem Brandenburger Tor erklärte der US-Präsident, er wolle das Atomarsenal seines Landes um bis zu ein Drittel reduzieren. Auch die anderen Nuklearmächte drängte er zur Abrüstung.

Über Stunden hatten die 4000 geladenen Gäste, die versammelte deutsche Politprominenz und ein ganzer Tross an Sicherheitskräften bei tropischen Temperaturen vor dem Brandenburger Tor ausgeharrt. Dann endlich sprach Barack Obama. Vor historischer Kulisse auf dem komplett abgeriegelten - wenn auch nicht komplett gefüllten - Pariser Platz hielt der amerikanische Präsident seine mit Spannung erwartete Rede. Es war der Höhepunkt des ersten offiziellen Berlin-Besuchs für den US-Staatschef.

Vor Obamas Auftritt hatten Berlins regierender Bürgermeister Klaus Wowereit und Kanzlerin Angela Merkel bereits in ihren Grußworten auf den geschichtsträchtigen Ort der Rede verwiesen. Beide betonten die besondere Rolle der USA bei den Verhandlungen zur Deutschen Einheit. "Lieber Barack, ich heiße Dich willkommen bei Freunden", schloss Merkel ihre Ansprache.
Diese Vorlage nahm der US-Präsident nach einem kurzen "Hello Berlin" dankbar auf - und zog sein Jackett aus. Man könne unter Freunden auch ein wenig ungezwungener sein, so Obama. Im weißen Hemd und mit blauer Krawatte sprach der Präsident weiter.

Auch den historischen Bezug seiner Vorredner ließ er nicht unkommentiert. "Keine Mauer kann dem Drang nach Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit standhalten", lautete einer der ersten Sätze in Obamas Rede. Er sei stolz, auf der Ostseite des Brandenburger Tors reden zu dürfen.

Trotz der Erfolge und Durchbrüche der Vergangenheit dürfe man sich nun jedoch nicht der Selbstzufriedenheit hingeben. Die Herausforderungen der Zukunft bräuchten den gleichen Kampfgeist, der die Berliner immer ausgezeichnet hat. "Die Arbeit ist noch nicht getan", so Obama. Europa und die USA müssten als Beispiele vorangehen. "Frieden mit Gerechtigkeit", mehrfach wiederholte der Präsident diese Kernaussage seiner Rede.

Obama plädierte für mehr Toleranz, Gerechtigkeit und Chancengleichheit in allen Bereichen der Gesellschaft, auf beiden Seiten des Atlantiks: "Solange es Mauern in den Herzen gibt, müssen wir uns mehr anstrengen, um diese Mauern einzureißen."

Nuklear-Arsenal soll reduziert werden

Dann kündigte Obama an, die Zahl der amerikanischen Kernwaffen zu reduzieren. Bis zu einem Drittel weniger nukleare Sprengköpfe könnten sich schon bald in den Arsenalen seines Landes befinden. Auch so hätten die US-Streitkräfte noch mehr als genug Abschreckungskraft. Mit Russland, aber auch China sollten schon bald Verhandlungen für ähnliche Schritte aufgenommen werden.

Die Sicherheit Amerikas und seiner Verbündeten könne auch bei einer solch starken Reduzierung noch sichergestellt werden. "Als Präsident habe ich nun unsere Bemühungen verstärkt, die Verbreitung von Atomwaffen zu vermeiden und die Zahl der amerikanischen Atomwaffen zu reduzieren und ihre Rolle zu verändern", sagte Obama.

Für 2016 - kurz vor dem Ende seiner Amtszeit - kündigte er einen Atom-Gipfel an. "Wir werden einen internationalen Rahmen schaffen für die friedliche Nutzung der Kernkraft und um die Ambitionen Nordkoreas und Irans bezüglich der Kernkraft in Grenzen zu halten", sagte der US-Präsident.

Für diesen Kernpunkt seiner Rede erntete Obama ebenso Applaus der Zuschauern, wie für seine Ankündigung, die Schließung des umstrittenen Gefangenenlagers Guantanamo voranzutreiben.

Kritik von Merkel an Spähprogramm

Hinter dem Präsidenten lag da bereits ein Mittagessen unter vier Augen mit Merkel. Außerdem ist Obama am Mittag bereits zu einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der Kanzlerin vor die Mikrofone getreten. Nach den erwartbaren warmen Worten für den Gast übte die Kanzlerin dabei auch vorsichtige Kritik am Sicherheitskonzept der US-Behörden.

Konkret sagte die Kanzlerin, man habe über "Fragen des Internets ausführlich gesprochen" - und meinte das US-Spähprogramm Prism. Deutschland schätze die Zusammenarbeit mit den USA in Fragen der Sicherheit. Bei allen Notwendigkeiten der Beobachtung müsse jedoch immer die "Balance und die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben", mahnte die Kanzlerin.

Obama selbst war auf der Pressekonferenz zunächst nicht auf den Abhörskandal eingegangen. Erst auf Nachfrage äußerte er sich und verteidigte das Vorgehen des US-Geheimdienstes NSA. Man habe durch die Spähaktionen mehr als 50 "Bedrohungen" abgewehrt - auch in Deutschland.
Gegen 21.30 Uhr geht es zurück

Einen weiteren Termin hatte Obama schon am Morgen absolviert. Im Schloss Bellevue wurde der Präsident Bundespräsident Joachim Gauck willkommen geheißen und mit militärischen Ehren begrüßt. Gauck und Obama schritten die Ehrenformation der Bundeswehr ab. Danach zogen sie sich zu einem Gespräch zurück, das mit rund einer Stunde länger dauerte als geplant.

Nach der Rede neigt sich Obamas 25-Stunden-Visite in der deutschen Hauptstadt schon langsam dem Ende zu. Am Abend steht noch ein Abendessen mit der Kanzlerin und geladenen Gästen im Schloss Charlottenburg auf der Tagesordnung. Danach startet Obama mit Familie und Begleittross an Bord der Air Force One gegen 21.30 Uhr wieder in Richtung Washington.

Keine Kommentare: