Wegschauen ist auch keine Lösung. Sat.1 hat E-Prominente zum Promiboxen in den Ring geschickt. Zweifellos erreicht das Hau-drauf-Programm sein Ziel: Es tut richtig weh.
Eine Jazzy kennt man nur als Jazzy, eine Georgina nur als Georgina oder Georgina Fleur. Die branchenübliche Vornameritis suggeriert Vertrautheit und wertet die so Angesprochenen wie nebenbei zu Karikaturen ab. Nicht, dass die Betroffenen etwas dagegen hätten. Aber Boxen ist eine so ernste Sache, dass hier alle ihre Nachnamen zurückbekommen. Zwar werden beim "Großen Sat.1-Promiboxen 2013" C-, D- und E-Prominenten wie angeschimmelte Joghurtbecher die Wertschöpfungskette nach ganz unten durchgereicht, dort aber, wie auf dem Recyclinghof, ernst genommen.
Also schlagen im ersten Kampf des Abends Jazzy Tackenberg ("Dschungelcamp") und Georgina Bülowius ("Dschungelcamp") aufeinander ein. Wobei Bülowius dem Sender den Gefallen tat, Tackenberg zuvor "fett und untrainiert" zu nennen, worauf Tackenberg droht, beim Kampf werde "Botox spritzen". Der ist dann auch ungefähr so erbaulich anzuschauen wie eine Keilerei unter aufgekratzten Schnapsdrosseln in der Eckkneipe kurz vor der Sperrstunde.
Irgendwann, vor Jahren, musste sich einmal Stefan Raab von Regina Halmich verprügeln lassen. Das war für alle beteiligten offenbar eine Mordsgaudi, so dass heute Leute wie Naddel und Jazzy und Mola und Rocko antreten und von einer "tollen Herausforderung" schwafeln, wo sie Rampenlicht und Gage meinen.
Die liegt zwischen 15.000 und 45.000 Euro und bemisst sich danach, was die "Kämpfer" noch zu verlieren haben. "Es heißt immer, in der ersten Reihe beim Boxen sitzen nur Leute, die mit Prostitution zu tun haben, mit Kriminalität oder mit Drogen", gackert die fliegende Hallenmoderatorin, um dann ironiefrei einzuschränken: "Stimmt alles nicht, da sind Prinz Marcus von Anhalt und Kalle Schwensen und und und", alles ehrbare Gastronomen, Lebemänner, Besitzer geschmackvoller "Nachtclubs". Die Nähe zum einschlägigen Milieu steht dieser Art von Fernsehen ausgezeichnet, es hat etwas aufreizend Ehrliches.
Ein Milztreffer - und auf die Bretter geschickt
Umgekehrt erweist sich Boxen als Sport, der gar nicht aus der Schmuddelecke raus will, aus der er kommt und in die er gehört. Da nützt es auch nichts, aus den USA den professionellen Ansager Michael "Let's get ready to rumble" Buffer einzuladen, um der Prügelei einen weltläufigen Anstrich zu geben. Aufgewertet wird der Quatsch zusätzlich und vorsätzlich von branchenüblich zerknautschten Gesichter, die man kennt. Rocchigiani, Halmich und sogar Axel Schulz als launiger Außenreporter sind "volle Lotte" (Schulz) für jeden Mist zu haben. Unbeirrt tun sie so, als gelte es hier sportliche Leistungen zu bewerten oder in die faszinierende Welt des Boxens einzuführen. Die sieht dann so aus, dass Mola Adebesi mit seiner Rechten einen Treffer auf die Milz von Sebastian Deyle landet. Der spürt den Schmerz, nimmt kurz die Deckung runter - und fängt sich einen Schwinger von Adebesi auf den Kiefer, der ihn, wie man so sagt, "auf die Bretter schickt". Ein klassischer K.O., über den sie in der Regie so begeistert sind, dass sie ihn häufiger wiederholen, als man zählen könnte, weil man einfach irgendwann nicht mehr hinschauen möchte.
Wegschauen ist aber auch keine Lösung. Allenthalben wird volle Lotte "voll auf die Fresse" oder "aufs Maul" gehauen, "alles gegeben", "richtig ausgeteilt", damit "das richtig weh tut", aber "aufgeben ist nicht". Während in Wahrheit natürlich überhaupt nichts passiert, sondern dieses traurige "Celebrity Death Match" angeschlagen auf die erlösende Mitternacht zutaumelt.
Warum steckt man alle diese Leute nicht in schimmernde Rüstungen und Beinschienen, reicht ihnen Kurzschwert, Dreizack, Wurfnetz und Lanzen? Dann würde wirklich Blut fließen und das Privatfernsehen endlich mit der Unterhaltungsqualität der römischen Antike gleichziehen! Wie wär's mit dem "Großen Sat.1-Schlamm-Catchen"?
Mit Augenzwinkern das schäbige Treiben ausblenden
Bis auf weiteren gibt es billiges Fernsehen im doppelten Sinne, kostengünstig und schäbig zugleich. Wobei vor allem auffällt, wie zwanghaft alle Beteiligten so tun, als wäre das Treiben nur ein großer Spaß, dessen Schäbigkeit "mit einem Augenzwinkern" auszublenden ist. Wie schwer das fällt, war dem angemessen schlecht rasierten Moderator Matthias Killing anzusehen, als er beispielsweise Jazzy ankündigte: "6,5 Millionen Alben verkauft damals mit TicTacToe und jetzt hier heute im Ring. Das sind Lebenswege, die wir hier gerne begleiten."
Einen anderen, offenbar wünschenswerteren Lebensweg repräsentiert an seiner Seite eine gewisse Christine Theiss. Sie ist "Profi-Weltmeisterin im Vollkontakt-Kickboxen", was immer das für ein Unsinn sein mag. Sie steht nicht im Ring, sondern im Abendkleid als Moderatorin vor der Kamera, mit einem anknipsbaren Grinsen. Um genau 23.20 Uhr, also nach drei Stunden lähmender Langeweile, verkündet Killing mit kaum gebrochener Euphorie: "So, und jetzt kommt der Kampf, auf den wir uns alle wirklich freuen". Erst jetzt? Da wusste der Zuschauer längst, was er geleistet hatte. Und wann es Zeit ist, einen hoffnungslosen Kampf aufzugeben.
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