Idyllische Lage: Der ehemalige Sitz der Adelsfamilien Gandolfi und Savelli gehört seit 1596 zum Vatikan. Urban VIII. ließ die Villenanlage zur sommerlichen Papstresidenz umbauen - und verbrachte 1626 als erster Pontifex einen längeren Aufenthalt in den herrschaftlichen Gemäuern am Albaner See. Seitdem kehren die Päpste hier Jahr für Jahr wieder ein.
Papst auf Glanzpapier: Einen Tag lang ließ sich Benedikt XVI. von dem Fotografen der italienischen Wochenzeitschrift "Famiglia Cristiana", Giancarlo Giuliani, im Park seiner Sommerresidenz ablichten. Die Bilder erschienen 2007 in dem Charity-Kalender "Ein Jahr zusammen mit dem Papst". Ein Teil des Erlöses kam dem Kinderhilfsprojekt "Città dei Ragazzi Nazareth" in Ruanda zugute.
Papst in Badehose: 1981 gelang es Paparazzi, Papst Johannes Paul II. abzulichten, als er gerade in seinen Swimmingpool in Castel Gandolfo stieg. Das Foto wurde in der italienischen Illustrierten "Gente" abgedruckt.
Gepflegter Garten: Die kunstvoll gestaltete Park- und Landwirtschaftsfläche, die zur Papstresidenz gehört, ist etwa 55 Hektar groß - und damit neun Hektar größer als der Vatikanstaat (Foto aus den fünfziger Jahren).
Ansprache von oben: Paul VI. grüßt am 17. Juli 1972 nach seiner Ankunft in Castel Gandolfo von einem Balkon des Castellos die Bewohner des Ortes. Der Papst verbrachte in jenem Sommer zweieinhalb Monate in der Residenz.
Der "gute Papst" im Garten: Johannes XXIII. verbrachte den Sommer 1961 in Castel Gandolfo. Ein Jahr später reiste er nach Loreto und Assisi und war damit der erste Papst seit Pius IX., der - von Castel Gandolfo abgesehen - die Vatikanstadt verlassen hatte. Wegen seiner großen Beliebtheit hatte der Pontifex, mit bürgerlichem Namen Angelo Giuseppe Roncalli, vom Volk den Beinamen "papa buono", der "gute Papst", bekommen.
Antrittsbesuch: Im August 2006 empfing Papst Benedikt XVI. Bundeskanzlerin Angela Merkel in seiner Sommerresidenz. Die beiden sprachen über den Nahost-Konflikt und über die bevorstehende Deutschland-Reise des Pontifex. Knapp eine Stunde dauerte die Privataudienz.
Papst Benedikt wird nach seinem Auftritt in Rom in die Sommerresidenz nach Castel Gandolfo geflogen. Schon seine Vorgänger suchten dort Ruhe. Dabei kann das Domizil auf eine bewegte Geschichte zurückblicken - es war Versteck von Juden vor den Nazis, Entbindungsstation und Ziel von Paparazzi.
Am späten Abend des 6. August 1978 wurde eine schwere Eisenkette vor das Tor des päpstlichen Sommerpalastes gezogen. Alle Lichter des Ortes erloschen, die Flagge auf der Papstresidenz wurde auf Halbmast gesetzt. Der Brunnen auf dem Dorfplatz vor dem Palast versiegte und die Glocke der benachbarten Pfarrkirche begann zu läuten. Mit diesen symbolischen Zeichen endete die Amtszeit von Papst Paul VI. Er war um 21:40 Uhr in der Sommerresidenz an den Folgen einer Herzattacke gestorben.
Ebenso wie seine Amtsvorgänger hatte sich Papst Paul zu Beginn der heißen Sommermonate aus dem Vatikan nach Castel Gandolfo zurückgezogen, um die Kühle des fast 400 Jahre alten Papstpalastes zu genießen und bei Spaziergängen in den weitläufigen Gartenanlagen zu entspannen.
Am 28. Februar 2013 um 20 Uhr wird an diesem geschichtsträchtigen Ort das nunmehr dritte Mal in der Kirchengeschichte ein Pontifikat zu Ende gehen: Die Residenz in den Albaner Bergen ist das Rückzugsdomizil des amtierenden Benedikt XVI. Es ist ein bemerkenswerter Platz, nicht nur, weil just dort Kaiser Domitian (81-96 nach Christus) einst die blutige Verfolgung der frühen Christen befohlen haben soll. Schon die römischen Kaiser hatten das Klima des 426 Meter über dem Meeresspiegel gelegenen Ortes zu schätzen gewusst. Domitian hatte sich hier einen Palast errichten lassen, die Genueser Familie Gandolfi schließlich um 1200 eine Residenz, die dem späteren Ort seinen Namen gab. Seit 1596 ist das Kerngebiet der heutigen päpstlichen Sommerresidenz in Vatikan-Besitz.
Italienische Besatzer
Urban VIII. (1623-1649) war der erste Pontifex, der hier seinen Urlaub verbrachte. Er hatte den wuchtigen Sommerpalast bauen lassen, den 1787 auch Goethe auf seiner Italienreise besuchte und dessen idyllische Lage am tiefblauen Albaner See der Dichter überschwänglich pries. Die Päpste empfanden wohl ganz ähnlich: Fast alle reisten Jahr um Jahr dorthin.
Bis 1870. Da hatten italienische Truppen den Kirchenstaat eingenommen und der seinerzeit amtierende Pius IX. erklärte sich zum "Gefangenen im Vatikan". Bis zu seinem Lebensende acht Jahre später sollte er den Apostolischen Palast in Rom nicht mehr verlassen. Seine Nachfolger taten es ihm gleich - und Castel Gandolfo fiel in einen jahrzehntelangen Dornröschenschlaf.
1929 war es damit vorbei: Die Lateranverträge, abgeschlossen mit dem damaligen Königreich Italien, sicherten dem Heiligen Stuhl seinen Sommersitz dauerhaft. Castel Gandolfo wurde Teil des vatikanischen Staatsgebiets. Von nun an genoss die Residenz exterritorialen Status.
Judenversteck
Pius XI. war der erste Papst, der sie 1934 wieder betrat. Er hatte das alte Gemäuer sanieren und mit Radio und Telefon, Heizung, Beleuchtung und Fahrstuhl ausstatten lassen. Ein Jahr später weihte er auf dem Palastdach ein neues Teleskop der Vatikanischen Sternwarte ein. Die Astronomen des Pontifex zogen aus den Vatikanischen Gärten nach Castel Gandolfo um, weil es wegen der vielen elektrischen Lichter in der Ewigen Stadt zu hell geworden war. Mit ihnen kam auch die Meteoritenkollektion des Vatikans, eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen kosmischer Gesteinsbrocken nach Gandolfo.
Außerdem ließ Pius XI. Gewächshäuser und Viehställe anlegen, die es dem Vatikan ermöglichten, sich selbst mit Lebensmitteln zu versorgen - eine vorausschauende Entscheidung. Als Hitler im Mai 1938 Mussolini einen offiziellen Staatsbesuch abstattete und sich ganz Rom in Hakenkreuzfahnen hüllte, begaben sich Pius XI. und sein Kardinalstaatssekretär Pacelli - der spätere Pius XII. - demonstrativ nach Castel Gandolfo. Der Papst wollte ein Zusammentreffen mit dem deutschen Diktator vermeiden, den er ein Jahr zuvor in seiner Enzyklika "Mit brennender Sorge" als "Wahnpropheten" scharf kritisiert hatte. Sechs Monate blieb Pius XI. im Sommersitz Castel Gandolfo, bevor er Ende Oktober 1938 nach Rom zurückkehrte und dort bald darauf starb.
Der neue Papst Pius XII. appellierte im August 1939 von Castel Gandolfo aus an die Welt: "Nichts ist mit dem Frieden verloren, aber alles kann mit dem Krieg verloren sein." Seine Mahnungen blieben ungehört und wenige Jahre später erreichten Krieg und Nazi-Terror auch Rom und seine Umgebung. 1943 besetzten die Deutschen die Ewige Stadt und begannen mit der Deportation der römischen Juden. Pius XII. reagierte zunächst nicht auf die Hetzjagd unter seinen Fenstern, ließ dann jedoch Kirchen, Klöster und vatikanische Besitzungen für die Verfolgten öffnen - auch Castel Gandolfo.
Mehrere hundert Juden sollen sich dort versteckt gehalten haben und eigens mit koscherem Essen versorgt worden sein. Genaues darüber wurde kaum bekannt, da die vatikanischen Akten diesbezüglich noch verschlossen sind. Sicher ist nur, dass der Vatikan im Oktober eine Abordnung der Päpstlichen Palatingarde als Schutztruppe nach Castel Gandolfo entsandte, die nach und nach durch Freiwillige verstärkt wurde und so auf Tausenderstärke anwuchs, um die Vatikanexklave zu schützen.
Geburtsfreuden im Schlafzimmer des Papstes
Auf den besonderen völkerrechtlichen Status Castel Gandolfos verließen sich im Frühjahr 1944 auch Tausende Einwohner der umliegenden Orte, als sie vor alliierten Bombenangriffen Schutz suchten. Das Territorium des neutralen Vatikanstaates galt als unverletzlich und sicher vor Angriffen. Dennoch traf am 10. Februar eine Fliegerbombe den Sommersitz, gerade als sich dort am Morgen zahlreiche Menschen zur Verteilung der täglichen Milchrationen versammelt hatten. In den folgenden drei Tagen wurden über 500 Tote aus den Trümmern geborgen.
Etwa zur gleichen Zeit glichen die Papstgemächer einer Entbindungsstation. Schwangere Flüchtlingsfrauen hatten dort Zuflucht gefunden; im Schlafzimmer des Papstes schrien die Neugeborenen. Ungefähr 40 Kinder kamen nach Vatikanangaben auf Castel Gandolfo zur Welt. Viele von ihnen trugen später sogar den Namen des Papstes: Ihre Mütter hatten sie aus Dankbarkeit gegenüber Pius XII. Pio oder nach dessen Taufnamen Eugenio genannt.
Pius XII. selbst kehrte erst 1946 wieder nach Castel Gandolfo zurück, am 24. Juli 1958 kam er zum letzten Mal in den päpstlichen Sommerpalast. Es blieben ihm nur noch gut zwei Monate: Anfang Oktober 1958 erlitt er in der Papstresidenz zwei Gehirnschläge. Für mehrere Tage fiel er in Agonie und zum ersten Mal waren die Augen der Weltöffentlichkeit nicht auf Rom, sondern auf das gut 25 Kilometer entfernte Castel Gandolfo gerichtet.
"I want the dead pope live!"
Die noch junge Eurovision ging damals direkt aus dem Ort auf Sendung, Radio Vatikan richtete ein provisorisches Radiostudio im Sommerpalast ein, Zeitungen schickten Sonderkorrespondenten, die Tag und Nacht vor der Tür ausharren mussten. Im Wettlauf um die erste Meldung vom Tod des Papstes kam es zu zahlreichen vorzeitigen Todesmeldungen. Der Programmverantwortliche der Eurovision in Brüssel soll seine Kollegen bei der italienischen Rai mit dem Ruf "I want the dead pope live!" zur Wachsamkeit ermahnt haben, um das Ableben des Pontifex keinesfalls zu versäumen, das schließlich am frühen Morgen des 9. Oktober 1958 eintrat.
Zu einem Medienereignis ganz anderer Art wurde Johannes Paul II., der als erster den päpstlichen Sommersitz für sportliche Aktivitäten nutzte. Er spielte Tennis, kickte mit den Söhnen der Gärtner und zog seine Bahnen in einem eigens für ihn errichteten Schwimmbecken. Den Kritikern des Poolbaus entgegnete er, eine neue Papstwahl sei teurer. Paparazzi nutzten die Gelegenheit und schossen Fotos vom Papst in Badehose.
Mitte der achtziger Jahre brachte der polnische Papst den Sommersitz noch auf andere Weise ins Gespräch, als er dorthin bedeutende Philosophen und Theologen zu Konferenzen einlud. Bei den sogenannten Castel-Gandolfo-Gesprächen im Schweizersaal der Residenz saß der Papst in seinem Sessel in einer Ecke und war ganz stiller Zuhörer. Weckte ein Vortrag sein Interesse oder erregte er seinen Widerspruch, lud er den Referenten anschließend zum gemeinsamen Mittagessen in sein Esszimmer.
Ort der Entscheidung
Der Professorenpapst Benedikt XVI. setzte die Tradition legendärer Einladungen fort: Neben ehemaligen Doktoranden und akademischen Weggefährten empfing er in Castel Gandolfo unter anderem den Kirchenkritiker Hans Küng, Bundeskanzlerin Angela Merkel, den Generaloberer der Piusbruderschaft, Bernard Fellay, und die Botschafter mehrerer muslimischer Länder. Letztere hatte er im September 2006 eilig nach Gandolfo gebeten, um die Wogen nach seiner verunglückten Regensburger Rede zu glätten, die von Vertretern des Islam als "Hasspredigt" kritisiert worden war.
Wenn der Altpapst nun also ins beschauliche Castel Gandolfo zurückkehrt, wird er dort somit auch mit den Schattenseiten seines Pontifikats konfrontiert sein. Das Domizil in den Albaner Bergen war möglicherweise auch der Ort, an dem seine Entscheidung zum Rücktritt gefallen war. Benedikt XVI. hatte sich dorthin Anfang April 2012 nach seiner anstrengenden Reise nach Mexiko und Kuba und den kräftezehrenden Osterfeierlichkeiten zurückgezogen.
Nicht einmal ein Jahr darauf kehrt er nun als emeritierter Bischof von Rom an diesen Ort zurück. Ein geeignetes Rückzugsgebiet ist der Sommerpalast in jedem Fall. Immerhin ist die gesamte Anlage mit 55 Hektar größer als der Vatikan selbst.
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