Abenteuercamps, Sport-Events, gezielte Werbung für Kinder: Capri-Sonne buhlt um die kleinen Konsumenten - und druckte dafür sogar Unterrichtsmaterialien. Verbraucher wählten den Hersteller wegen dieser Werbestrategie nun zum Gewinner des Negativpreises "Goldener Windbeutel".
Aggressive Marketingmethoden für Kinderlebensmittel statt klare Werbelügen: In diesem Jahr hat die Verbraucherorganisation Foodwatch ihren Schmähpreis "Goldener Windbeutel" einem besonders lukrativen Segment der Lebensmittelindustrie gewidmet, den Kinderlebensmitteln. Gewinner der Online-Abstimmung 2013 ist der Softdrink Capri-Sonne, mehr als 51.000 Verbraucher stimmten für das Getränk, das Foodwatch als "Wasser-Zucker-Aroma-Mixtur mit ein bisschen Fruchtsaft" bezeichnet. Damit erhielt Capri-Sonne 42,6 Prozent der abgegebenen Stimmen.
Die Verbraucherschützer kritisierten schon in der Nominierung, dass Capri-Sonne durch "besonders aggressives Marketing" hervorsteche, das sich gezielt an Kinder richte. Vor allem die Verbindung zum Sport ist laut Foodwatch "Teil der Strategie, von der eigenen Verantwortung und möglicher Regulierung abzulenken". Der Hersteller Wild sponsert Sportevents für Kinder, vergibt ein eigenes Schwimmabzeichen, veranstaltet Abenteuercamps und organisiert Kinderbetreuung in Ferienorten und Hotelanlagen. "Capri-Sonne und Co. sind Dickmacher ersten Ranges, das ist wissenschaftlich erwiesen", kritisiert Oliver Huizinga, Experte für Lebensmittelwerbung bei Foodwatch. "Dennoch fixt Wild Kinder auf allen Kanälen an, immer noch mehr Zuckergetränke zu konsumieren."
Jahrelang verbreitete das Unternehmen zudem eine Mappe mit Unterrichtsmaterialien für Grundschullehrer - stoppte die aber kurz nach Beginn der Wahl zum "Goldenen Windbeutel". Ein Grund dafür, dass Capri-Sonne bei der Abstimmung so weit vorne lag, dürfte auch eine Pressemitteilung sein, die die Firma kurz nach der Nominierung für den Negativpreis veröffentlichte. Darin hieß es: "Es ist nicht richtig, dass Capri-Sonne an Kinder vermarktet wird." Foodwatch reagierte mit einem ironischen Video, in dem das Werbematerial genüsslich auf die Aussage des Herstellers untersucht wird.
Insgesamt beteiligten sich Foodwatch zufolge rund 120.000 Verbraucher an der Online-Abstimmung. Außer Capri-Sonne waren noch vier weitere Produkte nominiert: Auf Platz zwei landete der Pudding der Marke "Paula". Hersteller Dr. Oetker bewirbt ihn als "kindgerecht" und mit einem bunten Reigen aus Marketinginstrumenten: Klingeltöne, eine Smartphone-App, Online-Karaoke für den Werbesong und Gewinnspiele. Kurz nach der "Windbeutel"-Nominierung teilte das Unternehmen mit, die Webseite mit der kritisierten "Paula"-Werbung werde Mitte des Jahres einem Relaunch unterzogen - unabhängig von der Foodwatch-Kampagne.
Auf den dritten Platz wählten die Verbraucher die Frühstücksflocken Kosmostars von Nestlé, die der Hersteller selbst als "vollwertigen Start in den Tag" beschreibt und eine "Vollwertgarantie" gibt - in Wirklichkeit besteht das Produkt zu einem Viertel aus Zucker. Ähnlich viel Zucker enthält "Monster Backe Knister" von Ehrmann auf Platz vier. Das Produkt kommt als "Action-Joghurt" daher - mit Knisterzucker und Fruchtpüree. Der Hersteller bewirbt das Produkte als "gesunde Zwischenmahlzeit". Das war ein Grund für die Nominierung.
Als einziges nicht süßes Produkt landeten die Kinder-Kartoffelchips Pom-Bär von Funny-Frisch auf Platz fünf. Laut Foodwatch enthalten sie doppelt so viel Fett und fünfmal so viel Salz wie Pommes frites von McDonald's. Der Hersteller hat sich verpflichtet, keine Werbung an Kinder unter zwölf Jahren zu richten, es sei denn für "kindgerechte" Produkte - zu denen Funny-Frisch die Pom-Bär-Chips zählt.
Die Foodwatch-Kritik richtete sich in diesem Jahr nicht ausschließlich gegen falsche Aussagen in der Werbung, sondern gegen die Art und Weise, wie die Produkte der Zielgruppe Kind schmackhaft gemacht werden. Weil der Anteil der übergewichtigen und fettleibigen Kinder in Deutschland deutlich steigt, kritisieren auch Ernährungswissenschaftler immer häufiger die Strategien der Lebensmittelbranche. Die Unternehmen bringen immer häufiger vermeintlich gesunde Produkte wie Joghurts, Frühstücksflocken oder eben Softdrinks auf den Markt, die besonders viel Fett oder Zucker enthalten.
Capri-Sonne ist als Preisträger nur ein Beispiel für zahlreiche Kinderprodukte, die ähnliche Strategien verfolgen. Foodwatch-Experte Huizinga fordert deshalb die Politik zum Handeln auf: "Wenn Unternehmen wie Wild ihr schamloses, gezielt an Kinder gerichtetes Marketing für ungesunde Produkte bei Kindern nicht endlich einstellen, muss der Gesetzgeber ein Verbot aussprechen."
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