Der Thüringer Versorgungsskandal um Regierungssprecher Peter Zimmermann, den FOCUS vor vier Wochen enthüllte, hat Folgen für Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht. Jetzt hagelt es auch Kritik aus den Reihen ihrer Regierungspartei.
Eigentlich wollte Thüringens CDU-Regierungschefin Christine Lieberknecht die Pensionsaffäre um ihren scheidenden Regierungssprecher Peter Zimmermann einfach aussitzen. Ab in den Urlaub – hoch oben in den Tiroler Alpen werden sich die Wogen um die Luxusversorgung ihres Staatssekretärs schon legen, obwohl der erst 37-jährige einen hochdotierten Posten in der Privatwirtschaft übernimmt.
Noch an diesem Montag wollte Zimmermann auf seine üppigen Pensionsansprüche nicht verzichten. Am Dienstag aber muss Regierungschefin Lieberknecht ihn unter Druck gesetzt haben, wie aus Koalitionskreisen verlautete. Denn noch am gleichen Abend verkündete die Thüringer Staatskanzlei: „Peter Zimmermann stellt Antrag auf Entlassung“. Am Mittwoch segnete Lieberknechts Kabinett das unrühmliche Ende des Pensionsskandals in einer Schaltkonferenz ab.
Versetzung war „völlig unsinnig“
Bislang hatte nur die Opposition lautstark den Pensionsskandal angeprangert und der Koalitionspartner SPD eher verhalten Kritik geübt. Doch jetzt empören sich auch einflussreiche CDU-Politiker Thüringens über die Versorgungspraktiken im Freistaat.
„Thüringen darf kein Eldorado für Versorgungsfälle von Staatssekretären werden“, warnt Wolfgang Fiedler, innenpolitischer Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, gegenüber FOCUS Online. Die Landesregierung sei gut beraten, den eigenen Laden gründlich zu überprüfen.
Die Versetzung Zimmermanns in den Ruhestand „war völlig unsinnig“, kritisiert Fiedler. „Ich bin heilfroh, dass Zimmermann fort ist.“ Mehr noch: „Außer Schaden hat er uns nichts gebracht.“ CDU-Innenpolitiker Fiedler, der seit 1990 im Landtag sitzt, ärgert auch die Mitnahme-Mentalität des Ex-Staatssekretärs, der für ihn eine Fehlbesetzung ist. So etwas dürfe im Freistaat nicht einreißen. Denn: „Erst kommt das Land und zuallerletzt die eigene Person.“
Zimmermann gilt jetzt als Fehlbesetzung
Der Präsident des Thüringer Rechnungshofes Sebastian Dette verlangt Konsequenzen. „Gerade bei politischen Spitzenämter müsse das Prinzip der Bestenauslese gelten“, mahnt Dette gegenüber FOCUS Online. „Mit Hochdruck müssen wir jetzt die rechtlichen Grundlagen dafür schaffen, dass sich ein Fall Zimmermann nicht wiederholen kann.“ Das Ansehen des Berufsbeamtentums dürfe nicht beschädigt werden.
Der Hintergrund: Auch CDU-Finanzminister Wolfgang Voß, er war bereits Staatssekretär in Sachsen bevor er nach Thüringen wechselte, musste jetzt einen Versorgungsvorfall einräumen. Er habe sich vor seiner Ernennung zum Regierungsmitglied in Thüringen für einen Tag als Staatssekretär im Landesdienst anstellen, um über Jahrzehnte erworbene Pensionsansprüche aus Sachsen und Niedersachsen zu behalten. Das Pikante: Voß hatte zuvor den Versorgungsfall Zimmermann für die Regierung geprüft und abgesegnet. Ein klarer Fehler.
37 Jahre und beinahe schon Staatsrentner
Denn die Versetzung des Regierungssprechers in den einstweiligen Ruhestand weitete sich nach den FOCUS-Enthüllungen zum Pensionsskandal aus. Zimmermann hätte wie jeder andere Arbeitnehmer bei der Annahme eines lukrativen Jobangebots einfach nur kündigen müssen. Stattdessen verabschiedete sich Lieberknechts 37-jähriger Staatssekretär auf eigenen Wunsch gut ein Jahr vor der Landtagswahl in die Privatwirtschaft, jedoch nicht ohne auf die großzügigen Ruhestandsregeln des Freistaates verzichtet zu haben.
Der Karrierebeamte wird ab 1. September Chef des Internet-Dienstleister Unister in Leipzig – und kräftig verdienen. Neben dem Managergehalt hätte er beinahe noch ein üppiges Ruhegeld aus der Staatskasse bekommen. Dem Sprecher standen nach FOCUS-Recherchen als politischer Beamter der Gehaltsstufe B-9 (rund 10000 Euro inklusive Zulagen) mit über fünf Dienstjahren Versorgungsansprüche zu.
Gesamtkosten: über 1,5 Millionen Euro
Dem Steuerzahler wäre Zimmermanns Frühpensionierung teuer zu stehen gekommen. Selbst bei einem künftigen Monatsgehalt von 15000 Euro hätte der 37-jährige Jungpensionär in den ersten drei Jahren 1435 Euro Versorgungsleistungen vom Staat obendrauf bekommen und danach noch 700 Euro monatlich. Das hatte der Bund der Steuerzahler für FOCUS ausgerechnet.
Wäre Zimmermann vorzeitig bei Unister gescheitert, hätte ihn sein Ruhegehalt weich aufgefangen. Bis zu drei Jahre könnte er 71,75 Prozent seiner Staatssekretärsbezüge inklusive diverser Zulagen als Ruhesold (gut 7000 Euro) kassieren. Nach diesen drei Jahren hätte er im Fall von Arbeitslosigkeit sogar unabhängig vom Alter bis zum Lebensende mehr als 3500 Euro (35 Prozent seiner Dienstbezüge) als Ruhegeld einstreichen können. Diese Pensionszahlungen hätten den Steuerzahler über 1,5 Millionen Euro gekostet. Das konnte durch den öffentlichen Druck jetzt gerade noch einmal verhindert werden.
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