Rupert Murdoch verkauft dreiunddreißig Zeitungen. Sein Schritt folgt einem Muster dieser Tage: Verleger geben auf und setzen auf Online-Geschäfte. Ein Meister des Digitalen wie Jeff Bezos gibt dafür den Zeitungsretter.
Die Presselandschaft erlebt in diesem Sommer einen Paradigmenwechsel. Es geht nicht mehr um „online first“ oder zuerst Print, sondern um Print und online - ganz oder gar nicht. Es geht um den Wettbewerb zwischen unabhängigen Medien, die Meinungsbildung als ihre Aufgabe verstehen, und um Datenkonzerne, die per Algorithmus Scheinobjektivität herstellen und Köpfe durch Maschinen ersetzen. Und es geht um die Frage, wer den Wettstreit aufnimmt oder ihn aufgibt.
Hierzulande hat sich unter den großen Verlagshäusern der Springer-Konzern mit dem Verkauf seiner Regionalzeitungen und Zeitschriften aus dem Konzert verabschiedet und sucht den im Online-Zeitalter leichteren Weg, Geld zu verdienen. Burda fährt zweigleisig - stellt seinen Umsatz auf Handelsgeschäfte im Internet ab, lässt aber nicht von seinem Zeitschriftenimperium. Und Gruner + Jahr bleibt unter der Vorstandschefin Julia Jäkel bei seinem Leisten - Zeitschriften anzubieten, deren Informationsleistung ein Wert an sich ist und von denen alle Wertschöpfung ausgeht.
Mit etwas Verspätung in den Datenmonopolkapitalismus
In den Vereinigten Staaten vollzieht sich der Wandel, der auch ein Seiten- und Rollenwechsel ist, in noch größerem Maßstab. Die Verlegerfamilie Graham hat die „Washington Post“ an den Amazon-Gründer Jeff Bezos verkauft, reihenweise stehen Zeitungen auf Abruf. Und nun verabschiedet sich auch Rupert Murdoch peu à peu von dem Metier, auf das sein Ruf als weltweit agierender Zeitungsmogul gründet.
Dreiunddreißig Lokalzeitungen stößt er in den Vereinigten Staaten ab. Die acht Tages- und fünfzehn Wochenzeitungen der Dow Jones Local Media Group gehen an die Fortress Investment Group. Man sei zuversichtlich, dass die Zeitungen auch unter dem neuen Eigentümer Erfolg haben würden, teilte der News-Corp-Chef Robert Thomson mit. Die Zeitungen passten nicht mehr zur neuen strategischen Ausrichtung. Die finanziellen Details des Deals werden nicht mitgeteilt.
Die neue strategische Ausrichtung bedeutet, dass sich Murdochs News Corp noch stärker im Online-Geschäft engagiert mit Marken wie „All ThingsD“, „Market Watch“ oder „Smart Money“. Das ist der eine Teil des Konzerns, zu dem in Amerika immerhin noch die Agentur Dow Jones, das „Wall Street Journal“ und die „New York Post“ gehören. In der anderen Sparte, der Gruppe „21 Century Fox“, finden sich Murdochs Film- und Fernsehunternehmen.
Wie Springer in Deutschland vollzieht Murdoch damit in den Vereinigten Staaten einen seltsam anmutenden Seitenwechsel - und stürzt sich mit einigen Jahren Verspätung in den Datenmonopolkapitalismus, dessen Präzeptoren sich Medienhäuser inzwischen aus der Handkasse leisten können. Jeff Bezos macht es vor, und man darf darauf wetten, dass auch Google seine Pressepräsenz ausbaut, im Augenblick fährt der amerikanische Datenkonzern das bei uns noch auf Sparflamme, mit Verbindungen zu Einzelformaten, wie man sie etwa auf der Plattform google.de/wahlen besichtigen kann. Doch das dürfte nur der Anfang sein. Mit Kartellrechtsfragen müssen sich die amerikanischen Riesen bei solchen Gelegenheiten bekanntlich nicht befassen, sie entgehen den hiesigen Auflagen mit demselben Geschick, mit dem sie es vermeiden, Steuern auf ihre Milliardenumsätze zu zahlen.
Die neuen Zeitungsmacher
Da darf man es schon erstaunlich finden, dass sich Jeff Bezos im Interview mit der Zeitung, die er gerade zum Schnäppchenpreis von 250 Millionen Dollar gekauft hat, darüber ärgert, dass es die teuer erarbeiteten Inhalte der „Washington Post“ im Netz kostenlos gibt - überall dort, wo sie einfach abgeschrieben werden. Gleichwohl blühe der Zeitung ein „goldenes Zeitalter“. Als Maxime empfiehlt er, woran er sich bei Amazon gehalten habe: „Zuerst kommt der Kunde. Sei erfinderisch. Sei geduldig.“
Drücke die Preise, und entwerte die geistige Arbeit der anderen, müsste man hinzufügen, bis dir die Sache in den Schoß fällt und du den selbstlosen Mäzen spielen kannst. Ein solcher war der machtbewusste Rupert Murdoch nie, der die Politik zuerst in Australien und dann in Großbritannien vereinnahmte. Die neuen Zeitungsmacher wie Bezos, Warren Buffett (der inzwischen 31Tages- und vierzig Wochenzeitungen besitzt) oder der Unternehmer John W. Henry, der den „Boston Globe“ gekauft hat, dürften das allerdings auch nicht sein. Es sind vielmehr Superreiche, die sich Verlage leisten. Die sie sich leisten können, weil und wenn die bisherigen Verleger aufgeben.
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