Streit mit Bundestrainer Löw, Zoff mit Kapitän Lahm - beim Abschiedsspiel von Michael Ballack war das alles vergessen. Die alten Kontrahenten versöhnten sich, und der Capitano vergoss Tränen. Ballack und der deutsche Fußball haben ihren Frieden gemacht.
Die Deiche rund um Leipzig hielten, aber bei Michael Ballack brachen am Ende doch alle Dämme. "Ich hatte mir fest vorgenommen, nicht zu weinen", sagte der 36-Jährige, aber gegen die Ovationen von 44.000 Menschen ist so etwas schwer durchzuhalten. Und so kam das, was zu einem ordentlichen Abschied auch dazugehört. Ballack verdrückte ein paar Tränen - und das war angesichts der Bedeutung, die dieser Abend für den ehemaligen DFB-Kapitän besaß, auch das Mindeste. Denn dieses Abschiedsspiel hat manches im deutschen Fußball geradegerückt, was in den vergangenen Jahren in Schieflage gekommen war.
Der dreifache Fußballer des Jahres, der vierfache deutsche Fußballmeister, der Meister der Premier League, der zweifache Champions-League-Finalist, der Vizewelt- und -europameister, der dreifache Pokal- und FA-Cup-Gewinner Ballack - er drohte als einer von gestern, als ein Gescheiterter in die Fußballannalen einzugehen. Den Ruf des ewigen Zweiten, des Vize-Ballack, der nicht in der Lage ist, den ganz großen internationalen Wurf zu tun, hing und hängt ihm an. Mit Bundestrainer Joachim Löw hatte er sich nach der WM 2010 überworfen, mit dessen Kapitän Philipp Lahm gleich noch dazu. Ballack schien nicht verstanden zu haben, dass moderner Fußball sich verändert hat. Er gehörte zu denen, die sich noch dann für unverzichtbar halten, als die Zeit bereits über sie hinweggegangen ist. Ein Führungsspieler außer Dienst.
Der Abend von Leipzig hat Ballack nicht nur so etwas wie die Würde zurückgegeben. Er hat vor allem seine Verdienste für den DFB wieder in den Vordergrund gerückt. Und er hat die alten Feindschaften gleich mit beseitigt. Sowohl Löw als auch Lahm waren in Leipzig dabei. Eine noble Geste aller Beteiligten. Von Ballack, dass er sich aus seiner Wagenburg begeben und beide eingeladen hat. Von Löw und Lahm, dass sie kamen. "Irgendwann sind Dinge auch mal abgehakt", hatte Ballack schon am Tag vor dem Spiel gesagt, und so schien es dann am Mittwoch tatsächlich zu sein.
Der große Abend der Versöhnung
Lahm spielte seine 90 Minuten in dem Abschiedsspiel zwischen einer Weltauswahl und dem Team "Ballack and Friends" durch. In der zweiten Halbzeit, als Ballack sich das Trikot der Weltauswahl übergestreift hatte, gab es gar die eine oder andere Passkombination zwischen den einstigen Rivalen. Und der Bundestrainer sprach von der Tribüne herunter anerkennende Wort für den Mann, den sie "Capitano" nannten. Es war der große Abend der Versöhnung, der Einigung.
Am Rande des Spieles verhandelten der künftige Chelsea-Coach José Mourinho und Leverkusens Sportdirektor Rudi Völler die letzten strittigen Details des Transfers von Nationalspieler André Schürrle nach England aus. Schürrle war darüber offenbar so aufgeregt, dass er anschließend eine furchtbar schlechte Partie ablieferte. Aber das war an diesem Abend auch völlig egal. Es gab einfach keinen Platz für Missklänge.
Bayern-Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der Ballack einst geringschätzig nachrief, der Profi werde höchstens als "torgefährlicher Mittelfeldspieler" in Erinnerung bleiben, wollte dies mit fast zehnjähriger Verspätung offenbar auch vergessen machen und gab sich die Ehre. So wie Boris Becker, Michael Schumacher, Oliver Bierhoff, Didier Drogba, Lothar Matthäus, Jens Lehmann, Andrej Schewtschenko und und und. Weltstars im Dutzend im Leipziger Stadion, das zuletzt ausschließlich viertklassigen Fußball von Drittliga-Aufsteiger RB Leipzig zu Gesicht bekommen hatte.
Zukunft Ballacks ist noch komplett offen
"Er war ein präsenter Spieler, auf dem Platz und neben dem Platz", charakterisierte ihn Per Mertesacker, einer von sechs aktuellen Nationalspielern, die nach Leipzig gekommen waren. Jürgen Klinsmann attestierte ihm per Videobotschaft ein "unglaubliches Ballgefühl", und Rudi Völler rühmte seinen "wahnsinnigen Torriecher". Ballack hatte viele Qualitäten. Es war gut, noch einmal daran zu erinnern.
Was der "Capitano" künftig machen wird, das wusste er selbst noch nicht so genau zu sagen. "Ich setze mich da nicht unter Druck", pflegt man dann zu formulieren. Vergessen wird der 98fache Nationalspieler so oder so nicht. Seit 1998 gibt es einen Planetoiden, der nach ihm benannt ist, entdeckt von der Volkssternwarte Drebach im Erzgebirge.
Das Spiel endete übrigens 4:3 für die Weltauswahl. Und es ist ein hübscher Schlusspunkt, dass Ballack, der in Hälfte zwei den Sieg der Auswahl mit einem Tor sicherte, den Platz bei seinem allerletzten Spiel als Gewinner verließ. Und nicht als Zweiter.
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