Pediculus humanus capitisist ist einer der ältesten Feinde der Menschheit. Dabei wäre die Kopflaus mit guter Aufklärung, gesundem Menschenverstand und Konsequenz einfach zu besiegen. Doch an allem fehlt es.
Kopflausunter dem Mikroskop: Dieses Monster wäre einfach zu besiegen
Sie krabbelten schon unter den gepuderten Perücken der Schönen und Reichen zur Zeit des Barock. Sie zogen unter dem Federschmuck der Indianerhäuptlinge durch die weite Prärie, lange bevor Christoph Kolumbus seinen Fuß auf den amerikanischen Kontinent setze. Sie entwischten den Einbalsamierern im alten Ägypten und dämmerten in Leinen gewickelt auf den Häuptern von Mumien durch die Jahrtausende. Kopfläuse hat es schon immer gegeben.
Ändert sich nichts, werden sie sich wohl immer auf unseren Köpfen tummeln. Nicht etwa, weil sie unbesiegbar sind. Sondern weil wir Menschen - irregeleitet von Ammenmärchen und verführt von Bequemlichkeit - sie gewähren lassen.
Die Kopflaus ist ein Meister der Tarnkunst: Ihre winzigen Eier versteckt sie so nah an der Kopfhaut wie möglich. Ist ihr Wirt dunkelhaarig, ist häufig auch die Laus dunkler gefärbt. Lebt sie dagegen auf dem Kopf eines blonden Menschen, so ist ihre Chitinhülle mit größerer Wahrscheinlichkeit hell. Wird die erste Laus entdeckt, wuseln mit großer Sicherheit noch mehr durchs Haar - umgeben von ihren unzähligen Eiern.
Viele Eltern melden Kopfläuse aus Scham nicht
Hier beginnt das Dilemma. Wären sich alle Eltern sowie Erzieher und Lehrer dieser simplen Tatsache bewusst, hätte Pediculus humanus capitisist wahrscheinlich schon längst ihren letzten Atemzug getan. Doch da gibt es zum einen Eltern, die meinen, mit dem manuellen Entfernen einer einzigen Laus, sei das Kind läusefrei. Schlimmer aber sind jene Eltern, die vor Scham einen Läusebefall nicht melden, aus Angst vor einer Stigmatisierung.
Dabei wären die Läuse ein so leichter Gegner. Sie können weder fliegen noch springen. Sie verhungern innerhalb kürzester Zeit. Und nicht zuletzt können sie nur in einem einzigen Habitat überleben: dem menschlichen Kopf. Ein lebender Hund oder ein Kaninchen aus Stoff, ein Frottee-Handtuch oder ein Wollpullover ist für Kopfläuse so unwirtlich wie die Arktis oder ein schwärendes Lavafeld für uns Menschen.
Stellt man plötzlich Läuse bei seinem Kind fest, ist es mit Sicherheit nicht das einzige im Kindergarten oder in der Schule mit diesem Problem. Denn Läuse haben keinerlei soziale oder sonstige Präferenzen. Sie sind auch kein Zeichen mangelnder Hygiene. Kopfläuse gieren einfach nur nach Blut - und wandern dafür von einem Kopf zum nächsten. Bei jeder noch so flüchtigen Umarmung, bei jeder Rangelei unter Freunden oder Geschwistern können die Köpfe eine Brücke bilden. Die Konsequenz: Kinder, die gerne schmusen und viele Freunde haben, werden eher von Kopfläusen befallen als alleinlebende Buchhalter.
Was viele nicht wissen: Wer einen Läusebefall nicht meldet, verstößt gegen das Gesetz. Eltern sind gemäß § 34 Abs. 5 des Infektionsschutzgesetzes verpflichtet, der Gemeinschaftseinrichtung, die ihr Kind besucht, Mitteilung über einen beobachteten Kopflausbefall zu machen, auch nach dessen Behandlung. Dabei steht die Kopflaus auf einer Stufe mit Pest, Cholera und Tuberkulose. Was übertrieben klingt, ist eine Schutzmaßnahme: Nach neuen Studien wurde die Pest des Mittelalters nicht etwa durch den Rattenfloh, sondern durch Kopf- und Kleiderläuse übertragen.
Kuscheltiere in Tiefkühltruhen stecken ist unnötig
Herrscht in Kindergarten oder Schule offizieller Kopflaus-Alarm, beginnt der Alptraum vieler Eltern. Begleitet von den Tränen ihrer Kinder stecken sie unzählige Kuscheltiere in Tiefkühltruhen, kochen Bett- Tages- und Schmusedecken sowie Gardinen und Teppiche aus und versäumen unzählige Stunden auf der Arbeit. Dieser Einsatz ehrt zwar - nötig ist er aber nicht.
Australische Wissenschaftler etwa fanden in den Kopfkissen von 48 stark infestierten (so bezeichnet man von Parasiten Befallene) Kindern nur in zwei Fällen überhaupt einige wenige Exemplare von Pediculus humanus capitisist auf dem Kissen. Und US-Forscher entdeckten in den Mützen von tausend Kindern nicht eine Laus. Auf den Köpfen zählten sie 5500. Läuse wissen ganz genau, dass sie, wenn sie kein Blut saugen, spätestens nach 55 Stunden ausgetrocknet sind.
Alle müssen mitkämpfen
Um dennoch sicher zu gehen, empfiehlt das Robert Koch-Insitut, Kämme, Haarbürsten, Haarspangen und -gummis in heißer Seifenlösung zu reinigen, Schlafanzüge, Bettwäsche, Handtücher und Leibwäsche zu wechseln sowie Kopfbedeckungen und Schals drei Tage lang in einer Plastiktüte einzulagern. Teddy darf bleiben. Mit einem Läusekamm, Nervengiften oder Ölen lassen sich die Läuse außerdem vom Kopf vertreiben.
Beim Kampf gegen die Laus auf ihren Siegeszug durch die Weltgeschichte braucht es letztlich aber vor allem eins: Zusammenhalt. Sobald ein Mensch Kopfläuse hat, sind auch seine Freunde und engeren Verwandten mit einiger Wahrscheinlichkeit befallen. Und nur wenn wirklich alle Kontaktpersonen informiert auf Kopfläuse untersucht werden, kann Pediculus humanus capitisist gestoppt werden. Wissen ist Macht.
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