Heute vor 70 Jahren: Der bewaffnete Aufstand der Juden im Warschauer Ghetto begründet einen Mythos. Sie opferten ihr Leben für die Ehre eines ganzen Volkes. BILD erinnert an das historische Ereignis am 19. April 1943.
Mit einer Kommandoaktion wollen die Nationalsozialisten das Warschauer Ghetto räumen, rund 60 000 verbliebene Insassen sollen in Arbeitslager deportiert werden. In der Nacht umstellt die SS das Ghetto, rückt um 6 Uhr mit 850 Mann ein.
CHRONOLOGIE DES SCHRECKENS
► 1. September 1939
Mit dem deutschen Überfall auf Polen beginnt der Zweite Weltkrieg.
► 28. September 1939
Deutsche Truppen marschieren in die polnische Hauptstadt Warschau ein.
► November 1939
Der überwiegend von Juden bewohnte Teil der Altstadt wird zum „Seuchensperrgebiet“ erklärt.
WIDERSTAND! Im Ghetto haben sich Kampfgruppen formiert: Rund 1400 Aufständische mit dem Mut der Verzweifelten. Mit Molotowcocktails greifen sie die Deutschen an. 12 Mann werden getötet, ein Panzer geht in Flammen auf. Straßenkampf!
Am Abend zieht sich die SS zurück. Im Ghetto wird die polnische Flagge gehisst – und eine Fahne mit dem Davidstern. 20. April 1943: Inmitten einer Gruppe SS-Leute zünden die Aufständischen einen Sprengsatz. Der Überlebende Simha Rotem (88): „Ich konnte es nicht glauben. Deutsche Soldaten, die schreiend wegrannten, ihre Verletzten liegen ließen.“
Bekanntmachung in Deutsch und Polnisch: Bei Flucht droht Juden die Todesstrafe
Eine jüdische Einheit erobert ein Maschinengewehr-Nest der SS, bei einer Schießerei bitten deutsche Soldaten mit weißen Tüchern um Waffenstillstand. Allein an diesem Tag töten die Aufständischen rund 100 Gegner, erbeuten Waffen.
Die SS reagiert brutal. Etliche Häuser werden in Brand gesteckt. Der Strom im Ghetto wird abgeschaltet, mit Hunden nach den Verstecken der Kämpfer gesucht. SS-Kommandeur Jürgen Stroop (1952 hingerichtet) befiehlt einen Luftangriff, lässt das Ghetto fast komplett zerstören.
Von jetzt an kämpfen die Aufständischen als Partisanen. Nach Überraschungs-Angriffen flüchten sie durch ein Tunnel-Labyrinth, das sie in den Monaten zuvor angelegt haben.
Aber ihre Lage ist aussichtslos: In den Bunkern herrscht Sauerstoffmangel, es gibt kaum Wasser und Essen – die Verstecke werden zur Falle. Viele Kämpfer entscheiden sich zur Flucht durch die Abwasserkanäle. Simha Rotem, der bei einer solchen Aktion den Kanal-Ausstieg sicherte: „Ich erkannte niemanden unter den Herauskommenden. Gestalten nicht aus dieser Welt, Geister ... und dabei kannte ich sie alle!“
Am 7. Mai entdecken die Deutschen das Hauptquartier der Aufständischen (Miła-Straße 18), wo noch rund 500 Menschen ausharren. Nur wenigen gelingt die Flucht, viele Kämpfer begehen Selbstmord. Am 8. Mai blockiert die SS alle Ausgänge, leitet Gas in den Bunker.
16. Mai, 20.15 Uhr: Die Deutschen sprengen die Große Synagoge. SS-Kommandant Stroop notiert in seinem Abschlussbericht: „Es gibt keinen jüdischen Wohnbezirk in Warschau mehr.“ Der Aufstand ist niedergeschlagen.
Dennoch haben die Aufständischen ein Zeichen gesetzt: Sie haben sich nicht einfach ergeben, sondern um ihre Ehre und um ihr Leben gekämpft.
Die Zeitzeugin Maria Kann († 89) schrieb später: „Sie verstanden, dass der Tod nicht das Wichtigste ist, dass es viel wichtiger ist, wie man stirbt und wofür.“
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