Meisterhaft knapp beschrieb der Historiker Tacitus das Wesen der Germanen. Wozu, weiß niemand genau - sicher ist nur, dass das Büchlein ungeheuer nachgewirkt hat.
Offenbar waren die beiden Herren fremd hier im riesigen Pompeius-Theater mitten in Rom. Was vorn auf der Bühne geschah, ließ sie kalt. Umso genauer wollten sie erklärt bekommen, wer all die Gäste seien und woran man wichtigere Leute erkenne. Soso, dort unten also hatten die Senatoren ihre Ehrenplätze. Aber sehe man dazwischen nicht auch Männer in fremdländischer Tracht?
Allerdings, erklärten Umsitzende höflich; das seien Abgeordnete befreundeter Völker, die treu und tapfer an Roms Seite stünden. Die beiden Neulinge reagierten, als habe man ihnen ein Stichwort gegeben. "Kein Volk auf der Welt kann an Tapferkeit und Treue die Germanen übertreffen!", riefen sie entrüstet, stiegen das weite Halbrund hinab und suchten sich Plätze inmitten der Senatoren - zur Belustigung des Publikums.
Der kleine kuriose Vorfall aus dem Jahr 58 ist verbürgt. Sogar die Namen der selbstbewussten Herren überliefert der Geschichtsschreiber Tacitus in seinen "Annalen": Verritus und Malorix. Friesenhäuptlinge waren es, die den langen, beschwerlichen Weg nach Süden gewagt hatten, um Roms militärischen Druck durch persönliches Erscheinen zu mildern. Noch warteten sie auf ihre Audienz bei Kaiser Nero und konnten sich daher als Touristen in der Hauptstadt des Imperiums umgucken.
Nero bot den beiden dann großzügig das römische Bürgerrecht an. Aber aus den Gebieten, die sie ohne Roms Einverständnis besetzt hätten, müssten die Friesen abziehen, verlangte der Herrscher. Als das nicht geschah, hatte das Wohlwollen ein Ende. Lapidar wie so oft meldet Tacitus: "Umgehend wurden Reitertruppen der Bundesgenossen losgeschickt, die die Forderung durchsetzten; wer hartnäckig aufsässig blieb, wurde gefangen genommen oder getötet" - vermutlich auch Verritus und Malorix.
Germanen konnten in ihrer kraftmeiernden Naivität durchaus interessant, ja unterhaltsam sein, aber nachgeben durfte Rom ihnen keinen Zoll; davon ist Tacitus von früh auf überzeugt gewesen. Nur mit guten Kenntnissen und einer klaren Strategie werde das Imperium gegen die seltsam diffuse, unruhige Stammeswelt im Norden auf Dauer bestehen.
Für jemanden seiner Herkunft lagen solche Überzeugungen nahe. Der Sohn eines Finanziers und Provinzgouverneurs mit dem Familiennamen Cornelius - wahrscheinlich hieß er mit Vornamen Publius - hatte hurtig und glanzvoll die übliche Juristenkarriere durchlaufen und mit Sinn für gute Beziehungen die Tochter des berühmten Feldherrn Agricola geheiratet, der Britannien unterworfen hatte. Er war als Anwalt und Rhetoriklehrer berühmt; überdies hatte er schon im Kollegium aus 15 Priester-Beamten mitwirken dürfen, das die sibyllinischen Bücher, Roms altehrwürdigen Orakelschatz, hütete.
Allerdings kaschierte der äußere Erfolg viel innere Verbitterung. Knechtschaft und Bespitzelung, ja sogar zuweilen Todesangst habe er ausstehen müssen, notierte Tacitus für die Nachwelt am Anfang seiner ersten Veröffentlichung, der ehrenden Kurzbiografie seines im Jahr 93 gestorbenen Schwiegervaters. Kaiser Domitians despotisches Regiment habe ihm, wie so vielen seiner Generation, 15 Jahre des Lebens gestohlen, "in denen wir jungen Männer alt geworden sind".
Gab es Aussichten, künftig Herrscherwillkür zu verhindern?
Der zu Schweigen und Duckmäuserei gezwungene Staatsfunktionär konnte erst aufatmen, als im September 96 Kaiser Nerva auf den Thron kam. Während der folgenden anderthalb Jahre amtierte Tacitus einmal sogar kurz als Konsul. In der langen Friedenszeit unter dem Nachfolger Trajan begann er dann seine zweite Laufbahn als Schriftsteller.
Wie konnte Rom seine Vormachtstellung auf Dauer behaupten? Ließ sich aus den bösen Wechselfällen der Politik, dem "Gaukelspiel des Menschendaseins", wie er es selbst nannte, vielleicht doch etwas lernen? Gab es Aussichten, künftig Herrscherwillkür zu verhindern? Diese Fragen ließen Tacitus zum Historiker werden.
Wohl nur kurz nach der Würdigung Agricolas hatte er sein nächstes Werk fertig, eine knappe Landes- und Völkerkunde Germaniens. Es folgte, in Gesprächsform, eine ähnlich kompakte Erörterung zum Niedergang der Redekunst, die schon geballte Kritik am Kaiserregiment durchklingen ließ. Mehrere Jahre dauerte dann die intensive Arbeit an den "Historien", die den politischen Horror der Zeit von 69 bis 96 in grausamer Genauigkeit schilderten. Plinius der Jüngere, privat wie im Gerichtssaal ein guter Freund, durfte den Text abschnittsweise gegenlesen.
Schließlich, nachdem er noch einmal als Prokonsul die wichtige Provinz Asia (Kleinasien) hatte regieren dürfen, brachte Tacitus seine umfangreichen "Annalen" heraus, ein grandioses Panorama der Periode vom Tod des Augustus im Jahr 14 bis zum Jahr 68. Hauptfiguren der erhaltenen Partien sind die wenig liebenswerten Kaiser Tiberius, Claudius und Nero. Wie das übrige Werk zeigen auch die "Annalen" nach dem Urteil des Althistorikers Joseph Vogt "ausgesprochen stadtrömische Orientierung".
Was konnte einen geradezu ätzend scharfsichtigen, zwischen Überlegenheit und Selbstkritik schwankenden Zeitdiagnostiker und Meisterstilisten an den Germanen interessieren - abgesehen davon, dass Trajan vom Gouverneur am Rhein zum Kaiser aufgestiegen war und die Region daher bestimmt auf Dauer Beachtung fand?
Auftritte bekommen die wilden Gesellen aus dem Norden, vom Redner-Dialog abgesehen, in allen Werken des Tacitus - meist aber nur als Störenfriede, die man mit militärischer Gewalt im Zaum hält. Für die 46 Kapitelchen kurze Abhandlung "De origine et situ Germanorum" ("Über Herkunft und Wohnsitz der Germanen" - kurz: "Germania") indessen spielt das Tagesgeschehen kaum eine Rolle. Umso mehr zeigt der Autor Interesse am Wesen der Eingeborenen, die sich so stolz und energisch der römischen Zivilisation entgegenstellen.
Ausführlich beschreibt er den urkräftigen Freiheitssinn der Germanen
"Wilde blaue Augen, rötliches Haar, große, allerdings nur zum Angriff tüchtige Leiber", gewisse Ausdauer gegen Kälte und Hunger, aber keine Neigung zu "Strapazen und Arbeit", erst recht Scheu vor "Durst und Hitze": Die Merkmalliste schon im vierten Kapitel klingt, als kenne der Lateiner keine Skrupel in seiner Abgrenzung von der Barbarenwelt. Sobald es aber um Einzelheiten wie Mut und Gemeinschaftsleben geht, findet Tacitus erstaunlich positive Worte.
Ausführlich beschreibt er den urkräftigen Freiheitssinn der Germanen, erwähnt respektvoll ihre Genügsamkeit, eheliche Treue, weibliche Courage und Familiensinn. Ganz offenkundig finden sich bei den potentiellen Gegnern Gemütsqualitäten, die zu kennen noch über strategische Zwecke hinaus lohnt. Dass man es mit Biertrinkern zu tun hat, die gern Gelage veranstalten, hemmungslos faul sein können und sich auch sonst oft allzu menschlich verhalten - beispielsweise im Jähzorn -, all das steigert noch den Eindruck wissenschaftlicher Ausgewogenheit.
Aber schrieb Tacitus die "Germania" wirklich als faktentreuer Ermittler, "sine ira et studio" (ohne Hass und Vorliebe), wie er es sich mit sprichwörtlich gewordener Formulierung am Anfang seiner "Annalen" vorsetzt? Jahrhundertelang haben Philologen und Althistoriker den Text analysiert, doch wozu genau die musterhaft übersichtlich gegliederte Schrift hätte dienen können, weiß letztlich keiner genau.
Sicher ist: Tacitus, der selbst nie in Germanien war, verarbeitete für sein Kompendium viele gute - heute leider fast durchweg verlorene - Informationsquellen. Neben Regierungsmaterial sowie aktuellen Nachrichten von Augenzeugen zählten dazu vor allem späthellenistische Reiseberichte, die umfangreichen weltkundlichen Materialsammlungen des Universalwissenschaftlers Poseidonios, das ausführliche Standardwerk über die Germanenkriege aus der Feder von Plinius dem Älteren, dem Onkel seines Freundes, aber auch eine Weltkarte, die Augustus' Schwiegersohn Marcus Vipsanius Agrippa einst hatte erstellen lassen.
Bis in den geradezu abgezirkelt nüchtern-knappen Stil hinein ist der Ehrgeiz spürbar, etwas Definitives zu schreiben. Eilige Parallelen mindern zwar die Präzision - so bekommt etwa die Mehrzahl der germanischen Götter und Heroen kurzerhand griechisch-römische Namen. Doch solche Tricks waren eine kleine Erleichterung für römische Leser, die sich ja dann im zweiten, regional gegliederten Teil des Büchleins durch einen Wust bizarrer Stammes- und Ortsnamen kämpfen mussten.
Vom imperialen Ränkespiel mürbe gemacht
Zwar liegt der Verdacht nahe, Tacitus habe mit dem völkerkundlichen Opus seinen Zeitgenossen einen Spiegel vorhalten wollen. Unverbrauchte, bärenstarke und draufgängerisch-naive Wilde, so versuchten viele Interpreten des Werks nachzuweisen, seien als mahnender Kontrast zu dekadenten, vom imperialen Ränkespiel mürbe gemachten Römern gemeint.
Aber die scheinbar plausible Rechnung geht nicht glatt auf. Mehr als nachdenkliches Staunen über die Urwüchsigkeit der Germanen erlaubt sich Tacitus nicht; er sieht sie, mit den Worten des dänischen "Germania"-Spezialisten Allan A. Lund, sogar "fast als Antipoden". Und an etlichen Punkten bleiben die Formulierungen seltsam vage.
Berühmt geworden ist etwa der Wunsch des Autors, wenn die Germanen schon nicht die Römer lieben lernen könnten, so sollten sie bitte untereinander entzweit bleiben, da ja nichts so hilfreich für Rom sein könne wie die Uneinigkeit seiner Feinde. Ergänzt wird dieser Stoßseufzer durch den Ausdruck "urgentibus imperii fatis". Das kann man übersetzen als: "da das Reich jetzt seiner Vollendung entgegeneilt", ebenso gut aber kann es heißen: "bei allem (übrigen) für das Imperium dräuenden Unheil".
Jedenfalls sieht der kokett orakelnde Moralist die Macht Roms an einem heiklen Punkt angekommen. 210 Jahre schon, "so lange siegt man an Germanien herum", bilanziert er ein paar Abschnitte später mokant die zähen, nie wirklich glanzvollen Teilerfolge des Imperiums nördlich der Alpen.
Wer sich auf solch schwieriges Terrain begibt, will mehr bieten als nur Basiswissen für angehende Eroberer. Praktische Ratschläge meidet Tacitus geradezu. Bei den seit langem zumindest namentlich bekannten Stämmen an Rhein und Donau kann er sich ohnehin kurz fassen; umso mehr bemüht er sich, wenig vertraute Völkerschaften zu charakterisieren. Die Semnonen etwa veranstalteten Menschenopfer. Die jungen Männer der Chatten ließen Haar und Bart angeblich wachsen, bis sie ihren ersten Feind getötet hätten - "den Feiglingen und Kriegsuntüchtigen bleibt das struppige Aussehen". Rugier und Lemovier wiederum zeichneten sich aus durch "runde Schilde, kurze Schwerter und Fügsamkeit gegen die Könige".
Inbegriffe primitivsten Vegetierens, bei denen Römer erschauern
Für die ferneren Gegenden kippt der schmale Fundus an Merkmalen dann verständlicherweise ins Skurrile: Da sollen zum Beispiel hoch im Norden die infernalischen Nahanarvaler hausen, die mit schwarzen Schilden und schwarzer Körperbemalung vorzugsweise während der Nacht angreifen; bei den Sitonen, anscheinend irgendwo in Skandinavien, sei gar "die Frau Herrin", so sehr lebten diese Exoten "nicht nur in der Freiheit, sondern auch in der Knechtschaft entartet". Die Fennen weit im Nordosten schließlich besäßen "nicht Waffen, nicht Pferd, nicht Heim; Nahrung das Gras, Kleidung Felle, Lager der Boden": Inbegriffe primitivsten Vegetierens, bei denen ein wohlsituierter Römer nur noch erschauern konnte.
"Wissenschaftlich und künstlerisch", mit "griechisch erzogenem Auge" und einer typisch hellenistisch "genialen Interessierbarkeit für das Originelle der Welt an sich", so habe Tacitus sein Porträt von Germanien und dessen Bewohnern gezeichnet, überdies mit dem "Seelenschimmer des verhaltenen Dichters". So urteilte 1925 der gelehrte Wortkünstler Rudolf Borchardt, der elf Jahre zuvor in einer Neuübersetzung den herben, bedeutungsschwangeren Stil der "Germania" möglichst authentisch nachzubilden versucht hatte.
Doch für wen konnte die moralgesättigte, extrem kondensierte Ethnografie in Form einer Stilübung gedacht sein? Als sie um das Jahr 99 erschien, standen allen, die sich für Germanien interessierten, ausführlichere Handbücher zur Verfügung. Militärs konnten, was sie sonst an Fakten brauchten, schneller und genauer aus Kundschafter-Berichten und eigener Erfahrung zusammenstellen. Blieben eigentlich nur jene Zeitgenossen, die aus allgemeiner Neugier lasen - eine fast verschwindend geringe Zahl.
Bestsellerauflagen werden dem Büchlein also wahrscheinlich versagt geblieben sein. Nur selten finden sich in den folgenden Jahrhunderten Anzeichen für eine Lektüre der "Germania". Die ohnehin stark vereinzelten Tacitus-Leser des hohen Mittelalters wussten dann nicht einmal mehr von seiner Existenz.
Dass sich das Werkchen doch erhalten hatte, grenzt an ein Wunder, und seine mühevolle Wiederentdeckung ist eine schöne Detektivgeschichte der Philologie. 1425 erhielt der Humanist Niccolò Niccoli in Florenz von seinem Freund Francesco Poggio Bracciolini einen Brief. Zu dessen krönendem Abschluss verriet ihm Poggio, ein Mönch aus einem deutschen Kloster habe ihm einige Manuskripte zum Tausch angeboten, darunter "uns unbekannte Werke des Cornelius Tacitus".
Im Jahr 1455 endlich war der Codex nach Rom gelangt
Niccoli war elektrisiert. Nicht lange, und er hatte den Titel "De origine et situ Germanorum" in Erfahrung gebracht, dazu die Anfangsworte des Textes und auch, wo die kostbaren Pergament-Faszikel aus der Karolingerzeit lagerten: im Kloster Hersfeld. Dann jedoch war es mit dem Glück vorbei. Suchlisten, die der passionierte Handschriftenjäger reisenden Kardinälen mitgab, blieben ohne Resultat; als Niccoli 1437 starb, schien die heiße Spur wieder verloren.
Aber andere ließen nicht locker. Im Jahr 1455 endlich war der Codex auf verschlungenem, bis heute nicht aufgeklärtem Weg nach Rom gelangt; 1458 kaufte der Humanist Enea Silvio Piccolomini, der im selben Jahr als Pius II. zum Papst gewählt wurde, die Blätter der "Germania". Zum Glück erlaubte der von allem Antiken begeisterte Kirchenfürst sehr bald, dass Abschriften hergestellt wurden. So konnte schon 1470 in Venedig der erste Druck des Werkchens erscheinen.
Seither haben Altertumsforscher, Linguisten, Archäologen, Geografen, Historiker, Germanisten, Volkskundler und natürlich auch windige Ideologen jede Möglichkeit zu nutzen versucht, die kargen, mitunter kryptisch anmutenden Informationen des Tacitus in ein schlüssiges Bild des damaligen Europa östlich des Rheins und nördlich der Alpen umzusetzen.
Einer der Höhepunkte dieser Bemühungen, die mit der Nationalbegeisterung des 19. Jahrhunderts noch gehörig Fahrt aufnahmen, war ein im Jahr 1900 erschienener Band von weit über 700 Seiten, das Vermächtnis des großen Berliner Germanisten Karl Müllenhoff (1818 bis 1884) über die "Germania".
Keine Möglichkeit eines volkskundlichen Vergleichs war ungenutzt geblieben
Wort für Wort, Hinweis um Hinweis hatte Müllenhoff alles Erreichbare über die Urbevölkerung auf deutschem Boden zu einem Massiv wilhelminischer Forscher-Akribie angehäuft. Keine Möglichkeit eines volkskundlichen Vergleichs war ungenutzt geblieben, vom Erbrecht "in vielen Staaten Mittel-Africas" bis zum "Allmannsfrieden auf der Insel Gotland". Am Ende hatte sich die dünne Wäscheleine des taciteischen Textes in eine reich behängte Kulisse großer heroischer Frühzeiten verwandelt.
Von solch überbordendem Optimismus ist heutigen "Germania"-Interpreten kaum etwas geblieben. Weder die - nur schemenhaft rekonstruierbare - Geografie noch die durchweg römischen Lesegewohnheiten angepassten, nahezu komplett dem Hörensagen entstammenden Detailangaben seien belastbar, warnen die meisten Althistoriker. Andererseits mag niemand von vornherein ausschließen, dass Tacitus - mit den Worten des Kenners Alfons Städele - sozusagen dank höherer Fügung "ein annähernd richtiges Bild des Germaniens seiner Tage entworfen hat".
Bedeutsamer als alle Einzelheiten bleibt etwas anderes: Die kleine Ethnografie aus der Werkstatt des altsenatorisch gestrengen Römers hat den weit zerstreuten, schriftlosen Stämmen im Norden Europas endgültig einen unvergleichlich prägnanten Volkscharakter verpasst - gut und gern die wirksamste, aber auch heikelste "Nationalurkunde" (Rudolf Borchardt) der Weltgeschichte.
Hat Tacitus das gewollt? Im zweiten Kapitel schreibt er, "Germanien" heiße das Gebiet noch nicht sehr lange; erst die einst nach Gallien eingefallenen Scharen - also wohl nur ein einzelner Stamm -, hätten Germanen geheißen. Allmählich habe sich dann der Brauch entwickelt, "dass sie alle anfangs aus Furcht vor dem Sieger Germanen genannt wurden, dann auch, als der Name einmal da war, sich untereinander so genannt hätten".
Eine leidlich plausible, charakteristisch nüchterne Deutung. Leider nur hat sein ehrgeizig verknappter Stil dem Historiker gerade an dieser Stelle einen Streich gespielt. Denn wie genau man den "Namenssatz" übersetzen darf, ja ob er überhaupt handschriftlich richtig überliefert ist und nicht doch besser schonend korrigiert werden müsste, das haben auch mehr als hundert Spezialuntersuchungen bislang nicht definitiv klären können.
Zumindest in diesem Punkt also ist Tacitus seinem Thema durch und durch gerecht geworden: Sein kleines Buch über die Nord-Barbaren gibt bis heute fast ebenso viele Rätsel auf wie die historischen Zustände, von denen es handelt.
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