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Dienstag, 19. Februar 2013
+++MITTAGSSCHLÄFCHEN, oder nur mal kurz eingenickt+++
Mittagsschläfchen helfen Arbeitnehmern, sich zu konzentrieren. Doch vielerorts gilt der Tagschlaf als peinlich. Verständlich, dass manche sich schwer tun, Angebote wie Schlafräume am Arbeitsort zu nutzen.
Als Thomas Diesner vor acht Jahren seine neue Stelle im Gelsenkirchener Service-Center des Installationsunternehmens Vaillant anfing, staunte er nicht schlecht: Sein Vorgesetzter nahm ihn mit zu einer Tour durch sämtliche Räumlichkeiten und präsentierte dabei unter anderem zwei Schlafzimmer. Darin je eine gepolsterte Liege, vor der Tür viele kleine Regalfächer, in denen die Kissen, Laken oder Handtücher der Kollegen lagerten. Etwa ein Fünftel der 75 Mitarbeiter des Großraumbüros hält täglich einen Mittagsschlaf. Weil im Schichtdienst gearbeitet wird und die Nickerchen nicht länger als 15 bis 20 Minuten dauern, sind dafür zwei Schlafplätze genug.
Ein Mittagsschläfchen während des Arbeitstags steigere die Leistungsfähigkeit um rund 35 Prozent und verringere das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen um etwa 30 Prozent, berichtet der Regensburger Psychologe und Schlafforscher Jürgen Zulley. Doch trotz solcher und ähnlicher schon lange bekannter Effekte bleibt der Büroschlaf in Deutschland ein Tabuthema. „Schlafen am Tag, das gilt hierzulande gemeinhin als peinlich, ja sogar ungehörig. Man assoziiert damit Faulenzer und Penner“, sagt Zulley. Die Konsequenz: „Studien zeigen, dass die Deutschen tagsüber die müdesten Menschen in Europa sind.“ Falls Mitarbeiter doch das Bedürfnis nach einer kurzen Auszeit nach dem Kantinengang verspürten, schlössen die meisten heimlich die Augen. „Im Einzelbüro die Arbeitshaltung zu bewahren und kurz einzunicken ist oft kein Problem“, sagt Zulley. „Davon merken nur die wenigsten Kollegen etwas.“ Schwieriger werde es im Großraumbüro. „Ich kannte mal einen, der parkte immer seinen Wohnwagen in der Nähe der Arbeitsstelle und zog sich mittags für ein halbes Stündchen dorthin zurück“, berichtet der Schlafforscher. Nicht wenige Unternehmen hätten sogar ähnliche Schlafräume wie Vaillant in Gelsenkirchen. „Doch oft bleiben sie ungenutzt, weil die Mitarbeiter sich schämen, sie aufzusuchen“, sagt Zulley. Dazu kommt: Kaum ein Arbeitgeber wagt es, sich in der Öffentlichkeit mit einer positiven Haltung zum Mittagsschläfchen zu brüsten. Denn was auf den ersten Blick nach guter PR in Sachen Mitarbeiterfreundlichkeit aussieht, kann schnell nach hinten losgehen.
So war es in Vechta. Anfang des Jahres 2000 beschloss die dortige Stadtverwaltung, allen Mitarbeitern einen Büroschlaf im Anschluss an die Mittagspause zu erlauben. Zwar wurden keine Liegen angeschafft, doch sollten die Verwaltungsleute schlicht eine Matte neben ihrem Schreibtisch ausrollen. Mehr als die Hälfte aller Angestellten und Beamten nutzen das Angebot. Allein der positive PR-Effekt blieb aus. Im Gegenteil: Die Presse berichtete mit Häme; schlafende Beamte - das war ein gefundenes Fressen. „In der Amtsstube ein Nickerchen machen? In Vechta (Niedersachsen) ist das ausdrücklich erwünscht“, schrieb die „Bild“-Zeitung und pikierte sich darüber, dass das Schläfchen als Arbeitszeit gelte und der Stadtdirektor die Schlafmatten sogar „spendiert“ habe.
Seither ist es wieder stiller geworden um das Thema „Powernapping“, nicht nur in Vechta. Auch im Unternehmen Vaillant heißen die Schlafzimmer diplomatisch „Silent Room“, Auskünfte dazu gibt es nur auf Nachfrage. Eine proaktive Außendarstellung praktiziere das Unternehmen nicht, wie sich die Pressestelle ausdrückt. Offizieller Grund: Das Schlafangebot besteht nicht in allen Niederlassungen, sondern lediglich in Gelsenkirchen.
Weniger Stresshormone im Körper
Dort allerdings werden die beiden Schlafzimmer durchaus rege genutzt: „An manchem Tag geben sich die Kollegen tatsächlich die Klinke in die Hand“, berichtet der Leiter des Service-Centers, Frank Johann. Kein Wunder: Die Tätigkeit der Angestellten ist extrem fordernd. Ähnlich wie in einem Call-Center hängen die Mitarbeiter den kompletten Tag am Telefon und stehen Installateuren und Kunden mit technischem Rat zur Seite. „Wenn im Winter viele Heizungen Probleme machen, laufen unsere Leitungen heiß“, sagt Johann. „Dann sind das oft 100 Telefonate, die ein einzelner Kollege täglich zu führen hat.“ Damit die Konzentration dabei nicht auf der Strecke bleibe und um Fehler zu vermeiden, habe man sich vor vielen Jahren entschlossen, die Ruheräume einzurichten. Am Anfang begleiteten Schlafforscher der Universität Wuppertal das Projekt. „Sie fanden heraus, dass Mitarbeiter, die ein Mittagsschläfchen hielten, deutlich weniger Stresshormon Cortisol im Körper hatten“, sagt Johann. „Die Nutzer des Ruheraums haben zudem darüber berichtet, dass sie sich hinterher wieder fitter und agiler fühlten.“
So geht es auch Thomas Diesner, der den Schlafraum im Durchschnitt dreimal je Woche aufsucht. „Anfangs musste ich es mir ein wenig antrainieren, nach dem Mittagessen dort hineinzugehen, die Augen zu schließen und einfach abzuschalten“, berichtet er. Es gelinge bei weitem nicht jedes Mal, sofort einzuschlafen, doch sei das auch nicht das Ziel. „20 Minuten einfach nichts zu tun, nichts zu sehen, nichts zu hören, weg zu sein von Kollegen und Telefonen - das genügt schon.“ Unter den Service-Center-Mitarbeitern sei der Mittagsschlaf so etabliert, dass niemand dafür schief angesehen werde. „Im Bekanntenkreis dagegen wird schon mal der ein oder andere Scherz gemacht“, sagt Diesner. „Das ist aber nie böse gemeint. Schließlich lässt man ja nicht einfach mittags den Kopf auf die Tastatur fallen.“
Nur ein Viertelstündchen...
So abwegig wie Diesner glaubt, ist allerdings auch diese Praxis nicht: Der Chemiekonzern BASF etwa stellt zwar an verschiedenen Standorten Schlafräume für die Angestellten zur Verfügung. „Da es das aber nicht überall gibt, halten wir Kurse ab, um die Mitarbeiter zu befähigen, immer und überall kurz einschlafen zu können“, berichtet eine Sprecherin - auch im Großraumbüro. In den Kursen werde gelehrt, die Hände auf den Schreibtisch zu legen, den Kopf darauf zu betten und sieben bis zwölf Minuten „abzuschalten“. Ein längerer Schlaf werde den Arbeitnehmern nicht angeraten, um der Gefahr zu entgehen, in den Tiefschlaf zu fallen. Darauf, dass die Schläfchen kurz bleiben, achtet auch Vaillant. „Wir haben eine Nutzungsordnung für den Schlafraum mit zwei simplen Regeln“, sagt Frank Johann. „Es wird nur in der Mittagspause geschlafen und dann auch nicht länger als 30 Minuten.“ Für die Ruhezeit müssen sich die Mitarbeiter aus dem Zeiterfassungssystem ausstempeln.
Den Tiefschlaf mittags zu vermeiden - das hält auch Schlafforscher Jürgen Zulley für sehr wichtig. „Eine halbe Stunde ist die magische Grenze. Dauert das Nickerchen länger, beginnt eine andere Schlafphase, die dafür sorgt, dass es den Menschen schwerer fällt, wieder zu erwachen.“ Zwar seien auch längere Mittagsschläfe durchaus förderlich für die Gesundheit, mit einem normalen Büroalltag allerdings kaum zu vereinbaren.
„Klar, dass es eine natürliche Hemmschwelle gibt“
So sehr Zulley dem Nickerchen während des Arbeitstages das Wort redet, vom öffentlichen Schreibtischschlaf à la BASF hält der Experte wenig. „Die meisten Arbeitnehmer fürchten sich davor, die Kontrolle zu verlieren, während Kollegen und Chefs dabei zuschauen“, sagt er. „Wenn nach dem Einschlafen der Mund offen steht, sieht das reichlich unintelligent aus. Klar, dass es da eine natürliche Hemmschwelle gibt.“
Er selbst sei bekennender Mittagsschläfer und wisse um die Schwierigkeiten, bei einem Arbeitgeber ohne Schlafraum beschäftigt zu sein. In seiner Zeit als Professor der Uni Regensburg habe er keine andere Wahl gehabt, als sein Nickerchen zurückgelehnt im Schreibtischstuhl zu verrichten. „Glücklicherweise hatte ich eine Sekretärin, die darauf achtete, dass die Tür geschlossen und das Telefon ruhig blieb.“
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