Mittwoch, 7. August 2013

+++DIE "WATERGATE-ZEITUNG" MIT TRADITION+++


"Wir haben dieses Blatt geliebt", schreibt Donald Graham, dessen Familie die "Washington Post" in den vergangenen 80 Jahren geführt hat. Viele Wendungen hat die Traditionszeitung in ihrer langen Geschichte erlebt. Ein Rückblick von der Gründung 1877 bis in die Gegenwart.

Profitabel? Gewinnbringend? Nein, diese Attribute treffen auf die Washington Post schon seit Jahren nicht mehr zu. Und dennoch hat Amazon-Gründer Jeff Bezos die Zeitung zum Preis von 250 Millionen Dollar gekauft. Als Privatperson, nicht als Chef von Amazon.

Aus finanzieller Perspektive mutet die Entscheidung für den Kauf seltsam an. Im ersten Halbjahr 2013 hat The Post einen operativen Verlust von etwa 50 Millionen Dollar gemacht, in den ersten sechs Monaten des vergangenen Jahres war es noch ein Minus von 33 Millionen Dollar gewesen. "Das Zeitungsgeschäft brachte immer neue Fragen auf, auf die wir keine Antwort haben", sagte Donald Graham, Chef der Washington Post Company. Ein Satz, der Graham schwergefallen sein muss - ist er doch mittlerweile der Kopf der Verlegerfamilie Graham, deren Name seit Jahrzehnten eng mit der Washington Post verwoben ist. Aber von Beginn an.

1877 erscheint die Washington Post zum ersten Mal. Die Auflage beträgt 10.000 Ausgaben, der Umfang der Zeitung vier Seiten. Die folgenden Dekaden sind geprägt von divesen Besitzerwechseln, bis das Blatt 1933 pleite ist und versteigert werden muss. Den Zuschlag bekommt der kalifornische Bankier Eugene Meyer mit einem Gebot von 825.000 Dollar. Er baut die bankrotte Zeitung in den Folgejahren zu einem florierenden Unternehmen um, nach dem Zweiten Weltkrieg liegt die Auflage bei 160.000 Exemplaren.

Meyer, Sohn deutschstämmiger Einwanderer, wird 1946 kurzfristig von US-Präsident Harry Truman zum ersten Chef der neugegründeten Weltbank ernannt. Sein Schwiersohn Philipp L. Graham wird neuer Herausgeber der Post - eine Position, die er bis zu seinem Suizid 1963 innehat. Warum Meyer nicht seine Tochter Katharine an die Spitze des Unternehmens setzte, sondern deren Ehemann? Die Antwort lieferte er selbst: "Kein Mann sollte in die Positon kommen, für seine Frau arbeiten zu müssen."

Mit dem Tod ihres Mannes sollte Katharine Graham dennoch Jahre später Chefin der Firma werden - fast genau vier Jahre, nachdem auch ihr Vater verstorben war. In ihre Ägide fiel das Ereignis, das auch heute noch in aller Welt mit der Washington Post in Verbindung gebracht wird: die Aufdeckung und journalistische Aufarbeitung der Watergate-Affäre um Präsident Richard Nixon.

Dafür, dass sie die Wahlkampfpraktiken der Republikaner entlarvt hatten, wurden die Reporter Bob Woodward und Carl Bernstein 1973 mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Sie hatten bereits nach dem Einbruch in den Watergate-Gebäudekomplex im Sommer 1971 vermutet, dass es sich nicht um eine Tat einzelner Personen, sondern um eine weitreichende politische Verschwörung unter Einschluss des Weißen Hauses handeln könnte. Der - bislang einmalige - Rücktritt eines US-Präsidenten, Richard Nixon, war am 9. August 1974 die Folge.

Nicht nur dank dieses Coups, auch wegen der über Jahre gewachsenen und von einer Vielzahl von Lesern geschätzen Berichterstattung war die Post zu dieser Zeit auf Augenhöhe mit der New York Times. Dass auch finanziell alles zum Besten gestanden haben muss, zeigt eine Zahl: 25 Millionen Dollar ließ man sich 1972 ein neues Redaktionsgebäude kosten.

Auch aufgrund des Einstiegs von Investor Warren Buffett, der 1973 zehn Prozent der Washington Post übernahm, konnte die Zeitung noch bis zur Jahrtausendwende erfolgreich, wenigstens aber solide wirtschaften. Den drängenden Herausforderungen des Internets konnte sich die Post jedoch schließlich kaum noch stellen. Unter Katharine Grahams Sohn Donald verzeichnete das Blatt in jedem der vergangenen sieben Jahre Umsatzrückgänge.

Ein deutliches Alarmsignal kam vor vier Jahren, als die Büros in Chicago, Los Angeles und New York dichtgemacht wurden. Einsparungen im Newsroom folgten: 2009 waren dort noch 700 Redakteure beschäftigt, sechs Jahre zuvor waren es noch 900 gewesen. Bis 2011 stopften die Erlöse von Kaplan, einem profitablen wie umstrittenen Unternehmen zur Erwachsenenbildung, das Finanz-Loch. Die Post hatte Kaplan bereits 1984 gekauft. Mittlerweile jedoch stellte die Obama-Regierung die Förderung solcher Privatinstitute ein, der Umsatz brach um 84 Prozent ein.

Donald Graham stand offenbar vor der Wahl: strikter Sparkurs oder Verkauf an einen Investor. "Wir haben das Blatt geliebt, wofür es stand, und diejenigen, die es produziert haben", schrieb der ehemalige Besitzer. Zu lieben heißt in diesem Fall, loslassen zu können, wenn es nicht mehr anders geht. Was Jeff Bezos, der sich seit Jahren mit Graham in Geschäftsdingen berät, mit der von der Verlegerfamilie so geliebten Traditionsmarke Washington Post anfangen wird, muss die Zukunft zeigen.

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