Donnerstag, 15. August 2013

+++A U F G E P A S S T: So wird Facebook zum Kündigungsgrund+++


Marathon-Twittern im Büro, im Blog über das eigene Unternehmen lästern oder auf Facebook den Chef rund machen – schwupps ist die Kündigung da. FOCUS Online erklärt, was Angestellte im Umgang mit Social Media-Netzen dürfen – und was nicht.

Daumen hoch, gefällt mir – klick, schon erscheint der „Like-Button“ auf dem Sozialen Netzwerk Facebook. „Ich find’s gut, was Du geschrieben hast. Ich teile Deine Meinung.“ Alles gut und schön. Aber wenn der „gelikete“ Eintrag des Facebook-Freundes dem eigenen Arbeitgeber sauer aufstößt, kann der kleine Daumen böse Folgen haben. Im Fall einer Sparkassenangestellten aus Wittenberg etwa folgte dem „Like“ umgehend der „Unlike“ – in Form einer fristlosen Kündigung.

Die Sparkassenmitarbeiterin hatte einen Kommentar ihres Mannes für gut befunden: „Eines Tages stehen alle Schweine vor dem Metzger“, hatte dieser gepostet und dazu das Bild eines Fisches veröffentlicht, der aus einem abgewandelten Sparkassen-Logo bestand. Darunter stand: „Der Fisch fängt immer am Kopf an zu stinken.“ Als die Sparkasse davon erfuhr, kassierte ihre Personalabteilung prompt einen bereits mit der Dame ausgehandelten Aufhebungsvertrag – inklusive Abfindung – und kündigte fristlos.

Inzwischen haben sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Sachsen-Anhalt verglichen. Die Mitarbeiterin hat sich entschuldigt und bekommt dafür ihr Trennungsgeld plus Gehaltsnachzahlung und ein wohlwollendes Zeugnis. Einen guten Rat von der Richterbank gab es obendrauf: Die Parteien hätten vielleicht lieber die Klappe gehalten, denn die durch das Verfahren erzielte Öffentlichkeitswirkung sei für beide Seiten wenig wünschenswert.

Ein anderer Fall: Neun Berufsfeuerwehrmänner aus Düsseldorf wurden vorübergehend suspendiert, nachdem sie dem Facebook-Post eines Hauptbrandmeisters zugestimmt hatten. Dessen verbale Attacke richtete sich gegen Oberbürgermeister Dirk Elbers. Der Schreiber war sauer darüber, dass die Stadt schon seit längerem über die Überstundenvergütung der Feuerwehrleute diskutierte, während sie Geld für teure Prestigeobjekte ausgab. „Erst wenn der eigene Bürostuhl brennt, wird Herr Elbers erkennen, dass man mit Infopavillions keine Brände löscht.“ Der Ärger im Rathaus war groß. Erst nach einer öffentlichen Entschuldigung der Floriansjünger hob der OB die Suspendierung wieder auf.

Wenn Privates den Beruf tangiert

Der jüngste bekannte gewordene Fall, in dem ein Mitarbeiter wegen Facebook die Kündigung kassierte, ist ein Lagerarbeiter aus Nordrhein-Westfalen. Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, war er wegen eines Bandscheibenvorfalls krankgeschrieben, postete aber in seiner Abwesenheit ein Foto von seiner Heirat – mit der Braut auf dem Arm.

Harte Reaktionen auf drastische Meinungsäußerungen in Sozialen Netzwerken oder einen ausufernden privaten Umgang mit Twitter, Facebook und Co. im Dienst sind längst kein Einzelfall mehr. „Immer häufiger müssen sich Kanzleien und Arbeitsgerichte damit beschäftigen“, weiß Antje Burmester, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus der Kölner Kanzlei Ulrich Weber & Partner. Kein Wunder: Nach Statistiken des High-Tech-Branchenverbands Bitkom sind inzwischen zwei Drittel aller Internetnutzer in einem sozialen Netzwerk aktiv – und das nicht nur in ihrer Freizeit. Einen Großteil ihrer Web-2.0-Korrespondenz erledigen sie mal eben über PC, Tablet und Smartphone im Büro oder auf der Dienstreise.

 Faszination "Gefällt mir": Dieses Bedürfnis befriedigt Facebooks Like-Button

„Die Nutzung von sozialen Medien führt zunehmend zu einer Vermischung der privaten mit der beruflichen Sphäre“, sagt die Arbeitsrechtlerin. Das mache die Bewertung der Sachverhalte häufig schwierig. Entsprechend hängen die Reaktionen der Arbeitgeber und später die Urteile der Richter sehr vom jeweiligen Einzelfall ab. Dennoch gibt es einige wichtige Grundregeln, die sich Mitarbeiter gut merken sollten.

Beleidigung ist fast immer ein Kündigungsgrund

Die Meinungsfreiheit ist hierzulande ein hohes Gut. Grundsätzlich soll jeder sagen und schreiben dürfen, was er denkt. Natürlich auch im Web 2.0. Wird der Autor jedoch beleidigend oder behauptet er falsche Tatsachen, ist der Spaß vorbei. Dagegen können sich die Adressaten wehren. Sind Arbeitgeber, Kollegen, Kunden oder Geschäftspartner des Unternehmens Ziel des verbalen Angriffs, ist die Kündigung – meist sogar die fristlose – nicht mehr fern. Allerdings muss die Personalabteilung nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts berücksichtigen, in welchem Kreis solche Beleidigungen geäußert werden. Schimpft und motzt der Übeltäter im vertraulichen Gespräch unter Kollegen, sollte eine Kündigung regelmäßig unwirksam sein.

„Doch genau da liegt bei Facebook und Co. das Problem. Wann kann man von einem vertraulichen Kreis ausgehen?“, hakt Antje Burmester ein. „In vielen Fällen hat der Nutzer es nicht mehr in der Hand, wie viele andere Mitglieder die eigene Meinung lesen können und wie lange sie im Internet auffindbar sind.“ Dass der Abteilungsleiter ein mieser Sklaventreiber und selbst zu dämlich ist, etwas auf die Reihe zu kriegen, erfahren oft nicht nur die Freunde, sondern auch die Freunde der Freunde, wenn diese die Nachricht weiterverbreiten. „Letztlich hängt also vieles von den Privatsphäre-Einstellungen des Social-Media-Kontos ab“, erklärt die Rechtsanwältin. Ist der Account komplett öffentlich oder nur für einen ganz konkret abgegrenzten, engen Freundeskreis zugänglich? Postet der Mitarbeiter Kommentare auf fremden Seiten, deren Leserkreis er gar nicht beeinflussen kann, oder liked er lediglich etwas?

Beispiele aus der Rechtsprechung

Die Rechtsprechung tastet sich derzeit über Einzelfallentscheidungen an das Thema heran. Etwa über den Fall eines Auszubildenden zum Mediengestalter Digital und Print. Er hatte auf seinem privaten Account unter der Rubrik Arbeitgeber die folgende Eintragung hinterlassen: „Arbeitgeber: menschenschinder & ausbeuter – leibeigener?? bochum – dämliche scheisse für mindestlohn -20% erledigen“. Die fristlose Kündigung des Ausbilders bekam den Segen des LAG Hamm (Az. 3 SA 644/12). Der Facebook-Eintrag sei massiv ehrverletzend und aufgrund der allgemeinen Zugänglichkeit der Seite im Netz bestünde jederzeit die Möglichkeit, dass auch Kunden und Geschäftspartner des Arbeitgebers Kenntnis von der Darstellung erhielten. Auch das Argument des Auszubildenden, er habe den Kommentar lustig und übertrieben gemeint, zog nicht. Die Richter jedenfalls konnten nicht erkennen, warum ausgerechnet die Sprüche über den Chef hätten witzig gemeint sein sollen.

In einem anderen Fall wollte sich der Mitarbeiter damit retten, dass seine Äußerungen über einen Bedienfehler in die Facebook-Chronik gelangt seien. Das Arbeitsgericht (ArbG) Hagen ließ sich davon nicht beeindrucken: Der Arbeitnehmer habe Facebook schließlich schon seit Jahren genutzt (3Ca 2597/11).

Mögliche Verteidigung: Spontane Reaktion

Mit einem blauen Auge kam dagegen ein Angestellter davon, der zwei seiner Kollegen in einem Kommentar auf Facebook als „Speckrolle“ und „Klugscheißer“ titulierte, und zwar direkt, nachdem diese ihn beim Chef denunziert hatten; zu Unrecht, wie sich später herausstellte. Das Arbeitsgericht Duisburg hielt die fristlose Kündigung für unwirksam, da der Betroffene im Affekt gehandelt und die Kollegen nicht namentlich genannt habe (Az. 5 Ca 949/12).

Allerdings unterstrichen die Richter, dass die Beleidigung selbst grundsätzlich den Rausschmiss gerechtfertigt hätte. Dabei sei es unerheblich, ob der Eintrag nur für die Freunde und Freundesfreunde auf Facebook oder unter der Einstellung „öffentlich“ für alle Facebook-Nutzern sichtbar war. Eine Menge Arbeitskollegen waren Facebook-Freunde des Klägers und hatten den Eintrag gelesen.

Lästern ist nicht in jedem Fall verboten

Auf den Rettungsanker „Affekt“ sollten sich gekränkte Mitarbeiter aber nicht unbedingt verlassen. Je mehr Zeit zwischen dem Eintrag und dem Ereignis liegt, auf das er sich bezieht, desto unsicherer wird diese Verteidigungsstrategie. „Es lässt sich zumindest gut darüber streiten, ob man noch immer spontan reagiert, wenn man erst nach Hause fährt, sich dann an den Rechner setzt, Facebook aufruft und vielleicht sogar noch entscheidet, ob man postet oder chattet“, gibt Arbeitsrechtlerin Burmester zu bedenken.

Spontaneität kann auch bei den „Like-Button-Fällen“ auschlaggebend sein. In dem Wittenberger Sparkassenfall jedenfalls sinnierten die Richter der ersten Instanz am ArbG Dessau-Roßlau, die Betätigung des Buttons spreche in der Regel für eine spontane Reaktion ohne nähere Überlegung, die in ihrem Bedeutungsgehalt nicht zu hoch eingeschätzt werden dürfe (Az. 1 Ca 148/11). Im Ergebnis mussten die Richter jedoch an dem Punkt keine Abwägung treffen, da die Klägerin aus anderen Gründen Recht bekam. Der Sparkasse fehlten schlicht Beweise dafür, dass die Mitarbeiterin und nicht etwa ihr Mann den Button gedrückt hatte.

Als Kunde darf man über den Chef lästern

Nicht Facebook, sondern ein privater Blog war Tatort eines anderen arbeitsrechtlichen Falles. Hier hatte sich eine Mitarbeiterin eines Telefonanbieters zwar ebenfalls recht rüde über den Arbeitgeber ausgelassen – allerdings nicht über seine Qualitäten als Chef, sondern als Dienstleister: „Boah kotzen die mich an von XY, da sperren sie einfach das Handy, obwohl man schon bezahlt hat … und dann behaupten die es wären keine Zahlungen da. Solche Penner … Naja ab nächsten Monat habe ich einen neuen Anbieter …“ Solch ein Beitrag rechtfertige keine Kündigung, urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof. Denn die Mitarbeiterin kritisierte das Verhalten des Unternehmens im Zusammenhang mit der Abwicklung des privaten Handyvertrages, habe den Konzern aber nicht in Bausch und Bogen diffamiert (Az. 12 C 12.264).

Plaudertaschen schließlich, die sich zwar bei der Nutzung von Kraftausdrücken im Griff haben, dafür aber Dienstgeheimnisse oder Betriebsinterna in die Community hinausblasen, machen sich ebenfalls nicht gerade beliebt beim Chef. „Jeder Mitarbeiter ist verpflichtet, während als auch nach einer Beschäftigung Geschäftsgeheimnisse zu wahren“, betont die Arbeitsrechtlerin. Wer dagegen verstößt, riskiert ebenfalls die fristlose Kündigung.

Wenn der Kollege im Büro seine Ebay-Deals abwickelt

Ob und wie lange die Belegschaft Internet und Co. privat während der Dienstzeit nutzen darf, entscheidet der Chef. Wenn er den privaten Gebrauch per betrieblicher Anweisung untersagt, riskieren Mitarbeiter streng genommen bei jedem Blick auf neue Nachrichten oder Tweeds eine Abmahnung. „Einen gewissen Grad an privater Online-Kommunikation wird aber jeder Chef dulden und auch zu dulden haben“, erklärt Arbeitsrechtlerin Burmester. Mal eben antworten, dass man heute Abend nicht kann, dürfte daher nicht zum Problem werden.

Umgekehrt gilt: Je exzessiver der Kollege seinen Privatkram im Büro regelt, desto näher rückt er sogar an eine fristlose Kündigung heran. Beispiele: Ein Mitarbeiter wickelt seine gesamten – relativ umfangreichen – Ebay-Aktivitäten morgens im Büro ab oder schreibt regelmäßig seine neuesten Kinoblog-Beiträge nach dem Mittagessen. Problematisch wird es auch, wenn jemand zum Beispiel den Firmen-PC mit Viren infiziert, weil er einen Linktipp eines Facebook-Freundes geöffnet hat.

Wichtig: Ob er Mitarbeiter Firmen-PC oder – Handy nutzt oder mit dem privaten Smartphone oder Tablet postet, ist irrelevant. „Es geht um den Missbrauch der Arbeitszeit“, mahnt Burmester.

Verräreterische Facebook-Fotos

Eine heftige Grippe hatte den Kollegen aus dem Einkauf erwischt. Eine Woche war er krankgeschrieben. Trotzdem erhielt er eine Abmahnung. Wie konnte es dazu kommen? Facebook lässt grüßen. Dort hatte der kranke Kollege unvorsichtigerweise Bilder hochgeladen, die den Fortschritt seines Hausbaus zeigten: Der stolze Bauherr stand gesund und munter im Blaumann zwischen den Handwerkern und stieß mit einer Pulle Bier an. Einer seiner Facebook-Feunde schwärzte ihn prompt beim Chef an. Ähnlich erging es einer Sekretärin, die witzige Schnappschüsse aus einem Club verschickte. Darauf war sie auf High-Heels tanzend zu sehen – obwohl sie laut Krankenschein eigentlich eine Knöchelverletzung auskurierte.

Wer so gedankenlos agiert, ist in gewisser Weise selbst schuld an den Folgen. Doch durfte sich der Arbeitgeber überhaupt auf die Bilder berufen? „Private Fotos in privaten Netzwerken sind aus Schutz des Persönlichkeitsrechts in der Regel nicht als Beweis vor Gericht verwertbar“, sagt Antje Burmester. Doch auch hier gilt: Je größer der Kreis der Adressaten, desto eher gibt der Absender selbst seine Privatsphäre auf. Wieder kommt es also auf den Einzelfall an. Wenn sich der Arbeitgeber die Fotos jedoch durch Vorgaukeln einer Facebook-Freundschaft erschlichen hat, sind die Bilder als Beweismittel in jedem Fall tabu.

Einfach mal nachgucken

Doch Vorsicht: Unabhängig von der Frage, ob die privaten Fotos verwertbar sind oder nicht, können sie zum Eigentor werden. „Wenn der Arbeitgeber von den Bildern erfährt, kann er schließlich einfach mal jemanden bei Club oder Baustelle vorbeischicken“, so die Anwältin. „Und der kann dann jederzeit als Zeuge aussagen.“

Der Düsseldorfer Feuerwehrmannstreit hat hitzige Diskussionen ausgelöst – on- und offline. Eine der Konsequenzen, die OB Dirk Elbers daraus zieht: Er hat die städtische Personalverwaltung beauftragt, Leitlinien-Vorschläge für den Umgang mit sozialen Netzwerken zu erarbeiten.

Solche Social-Media-Guidelines stellen jetzt immer mehr Unternehmen auf. Darin definieren sie detailliert, wie und welche Inhalte Mitarbeiter im Namen des Unternehmens in sozialen Netzwerken kommunizieren sollen und dürfen. Nach einer Bitkom-Umfrage hatten im vergangenen Jahr bereits 63 Prozent der großen und 19 Prozent der kleineren Unternehmen ihren eigenen Verhaltenskodex aufgestellt. „Die Tendenz ist stark steigend“ weiß Bitkom-Sprecher Maurice Shahd. Er rät Firmen dringend zu diesem Schritt: „Die Regeln helfen sowohl Firmenleitung als auch den Mitarbeitern, eine klare Grenzen zwischen Dienst und Privatem zu ziehen. Sie schaffen mehr Transparenz für alle.“

Verbindliche Regeln

Solche Guidelines können sowohl das dienstliche als auch das außerdienstliche Verhalten betreffen. Im einzelnen bestimmen sie zum Beispiel, dass private Meinungen zum Unternehmen als solche gekennzeichnet werden müssen, die Kommunikation untereinander von gegenseitigem Respekt geprägt sein soll und in welchem Rahmen die Nutzung während der Dienstzeit erlaubt ist.

„Wenn Unternehmen dienstliche Regeln aufstellen, sind sie für die Mitarbeiter bindend“, erklärt Arbeitsrechtlerin Burmester. Dann darf aber auch ein bestehender Betriebsrat ein Wörtchen mitreden. Auf diese Weise entsteht eine offizielle Betriebsvereinbarung. Wer gegen sie verstößt, riskiert eine Abmahnung. Geht es in den Guidelines indes nur um außerdienstliches Verhalten, sind sie allenfalls als Tipps und Handlungsempfehlungen zu verstehen – und nicht vor Gericht durchsetzbar.

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