Freitag, 21. Juni 2013

+++ZUM TODE VON JAMES GANDOLFINI+++


Warum kann es nicht wieder eine dieser ätzenden Fehlmeldungen sein, die unter anderem regelmäßig Morgan Freemans Tod verkünden? Warum kann sich James Gandolfini nicht gerade schütteln und lachend den abgenudelten Mark-Twain-Klassiker zitieren: "Gerüchte über meinen Tod sind reichlich übertrieben"?! Es war ein verdammter Mist-Donnerstagmorgen, als klar wurde, dass dieses Gerücht wahr ist: James Gandolfini ist tot.

Zum Tod von James Gandolfini

Lebe wohl, Tony Soprano!
Im Alter von nur 51 Jahren, mit einer gerade mal neun Monate alten Tochter, ist der US-Schauspieler in Rom gestorben. Herzstillstand heißt es. Er habe Urlaub gemacht, war auf dem Weg zu einem Filmfestival in Sizilien. Ausgerechnet Italien! Heimat der Rolle seines Lebens, Meisterwerk in Gandolfinis Karriere: der depressive New-Jersey-Mobster Tony Soprano. Anti-Held einer der erfolgreichsten TV-Serien überhaupt. Grundstein des Überholmanövers Fernsehen gegen Kino. Vergoldete Grundfeste des US-Kabelsenders HBO.

"Du bist wie Mozart"

Tony Soprano, dieser brutale, butterweiche Mafioso, hat den Mann, der angeblich nur Schauspieler wurde, weil er einst einen Freund zum Unterricht begleitete, zum Allgemeingut der internationalen Popkultur gemacht. Acht Jahre lang, in 86 Episoden, von 1999 bis 2007, haben wir mit Tony Soprano Panikattacken durchlitten, Gegner ausgeschaltet, Dr. Melfi angehimmelt, dreckige Geschäfte gemacht, Mätressen kaltgestellt, seine Mutter gehasst, die Familie zusammengehalten oder einfach nur im "Bada Bing"-Stripclub gesessen und mit Paulie und Sil gechillt. Denn wir - erstaunlicherweise egal ob Mann oder Frau - haben Tony geliebt. Bereitwillig haben wir für diese Liebe zu einem Schwerverbrecher die eigene Moral verbogen. Und das war ganz allein Gandolfinis Verdienst.

Die traurigen Augen dieses wuchtigen Mannes seien das Geheimnis, vermutet "Sopranos"-Erfinder David Chase. "Er war ein Genie. Ich habe ihm immer wieder gesagt 'Du kapierst es nicht, aber du bist wie Mozart'". Dann sei Stille gewesen am anderen Ende der Leitung, denn Komplimente und die massive Aufmerksamkeit waren nicht Gandolfinis Ding. Doch wegen der ganzen Auszeichnungen - allein drei Emmys und ein Golden Globe - musste er sich wohl oder übel dran gewöhnen.

"Woke up this morning/ got myself a gun"

"Er hatte den Sex-Appeal von Steve McQueen und Marlon Brando - und das komische Talent von Jackie Gleason", sagt "Sopranos"-Produzent Brad Grey. Aber eigentlich sind solche Vergleiche Humbug, weil Gandolfini das Wunderwerk vollbracht hat, in dieser Welt der Zitate und Referenzen seine eigene Marke zu sein. Tom Selleck ist Magnum, Chuck Norris ist Chuck Norris, Gandolfini ist Tony, den er in allem, was danach kam, weiterentwickelt hat: Sei es als genial berserkender Brutalo-General in "In the Loop", als eiskalter CIA-Boss in "Zero Dark Thirty" oder - in einer seiner intensivsten Rollen überhaupt - als gebrochener Mann, der während einer Geschäftsreise die Ruinen seines Lebens zu renovieren hofft, indem er eine junge Stripperin (Kristen Stewart) von der Straße zu holen versucht. Leider wurde "Willkommen bei den Rileys" komplett unterschätzt.

Gandolfini konnte sich trotz seiner körperlichen Ausmaße ganz klein machen. Aber eben auch in der nächsten Sekunde zum angsteinflößendsten aller Auftragskiller werden wie in "True Romance" (1993, Vorsicht: heftige Bilder), die Rolle, die die Casting-Agentin der "Sopranos" auf ihn aufmerksam gemacht hat. Diese Schizophrenie macht Gandolfini so einzigartig. Diese liebenswerte Bedrohung hat uns allen den Kopf verdreht. Der sanfte Riese, der im nächsten Augenblick seinem Gegner die Hand abhackt. Aber ein Blick in seine Augen, und wir lieben ihn wieder. Das nennt man Schauspielkunst.


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