Ihr Gesicht kennt man nicht – und doch war sie der Kopf hinter einer beispiellosen Erfolgsgeschichte.
Sue Gardner (45) war in den vergangenen sieben Jahren die Chefin des Online-Lexikons Wikipedia. Nun sucht die Powerfrau eine neue Herausforderung und will auf anderen Wegen für ein offenes Internet kämpfen.
Gardner ist noch eine echte Idealistin und möchte das Netz nicht denen kampflos überlassen, denen es nur ums Geldverdienen geht. „Zunehmend mache ich mir Sorgen darüber, wie das Internet sich entwickelt, wer seine Entwicklung beeinflusst und wer nicht“, schreibt sie in ihrem Abschieds-Statement.
Sie fühle eine starke Verantwortung und Liebe für die sogenannte Wikimedia-Bewegung. Aus diesem Grund wird sie auch erst gehen, wenn sie ihren Nachfolger eingearbeitet hat – und das würde mindestens sechs Monate dauern. Derzeit ist die Stiftung, die hinter dem Online-Lexikon steht, auf der Suche nach einem neuen Geschäftsführer.
Gardner plant, eine Organisation zu gründen oder ein Buch zu schreiben, um ihren Kampf für ein freies Internet voranzutreiben. Sie habe immer einen größtmöglichen Beitrag für das Allgemeingut leisten wollen. Wikimedia sei inzwischen gut aufgestellt – nun ziehe es sie zu neuen Aufgaben.
WER IST DIE WEB-IDEALISTIN?
Gardner war früher Journalistin und Online-Managerin der kanadischen Fernsehgesellschaft CBC. Die Wikimedia-Stiftung führte sie seit Dezember 2007.
Die 45-Jährige arbeitete unter anderem daran, mehr Spenden für die gemeinnützige Stiftung zu sammeln. Allein die jüngste Kampagne brachte 25 Millionen Dollar ein, im zweiten Halbjahr 2012 verfügte die Stiftung über knapp 50 Millionen Dollar. Die Zahl der Mitarbeiter stieg von weniger als 10 im Jahr 2007 auf zuletzt rund 160.
2012 wurde sie in der vom US-Magazin „Forbes“ geführten Liste der 100 mächtigsten Frauen der Welt auf Platz 70 geführt. Das dortige Profil hebt besonders hervor, dass sie den eintägigen „Blackout“-Protest gegen SOPA („Stop Online Pirate Act“) in Wikipedia angeführt habe.
Das Gesetz sollte die Durchsetzung von Urheberrechten verbessern. Doch Internet-Aktivisten liefen Sturm dagegen, weil sie als Nebeneffekt eine massive Einschränkung der Freiheit im Netz und Zensurmaßnahmen befürchteten. Unter Gardners Regie blieb die Wikipedia-Website im Januar 2012 einen Tag lang aus Protest außer Betrieb. Die Bewegung habe sie zum Nachdenken gebracht, „welche Form das Internet annimmt und welche Rolle ich dabei spielen kann”, sagte Gardner der „New York Times”.
Das von Jimmy Wales 2001 gegründete Online-Lexikon Wikipedia wird von den Nutzern selbst erstellt und ist in den vergangenen Jahren zu einer zentralen Informationsquelle im Netz geworden. Zuletzt verzeichnete die Seite 488 Millionen Besucher pro Monat.
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