Montag, 14. Mai 2012

Flüssiges Kulturgut...Vin Jaune, 1774


In jenem Jahr, als auf den Hängen von Arbois im französischen Jura die Trauben für den Vin Jaune reiften, den Christie’s jetzt in Genf versteigern wird, erschien Goethes „Werther“, und Johann Caspar David Friedrich wurde geboren. Jakob Michael Reinhold Lenz schrieb sein Theaterstück „Der Hofmeister“, und der junge Georg Forster landete mit James Cook auf der Osterinsel. In Frankreich bestieg LudwigXVI. den Thron, und Napoleon war ein Kind auf Korsika, der fünfjährige Sohn eines Kleinadligen in Ajaccio.

238 Jahre sind seit alldem vergangen, Jahre, in denen die Flasche in den Kellern der Familie Vercel in Arbois lagerte, acht Generationen lang. Heute ist der Vin Jaune aus dem Jahr 1774 vermutlich der älteste trinkbare Wein der Welt. Die Schätzung liegt bei 40.000 bis 50.000 Franken.

Was darf man für eine solche Summe erwarten? Ein Bukett, wie es geschichtsgesättigter kaum denkbar ist, eine Farbe von Bernstein sowie Duftnoten von Nüssen, Curry, Zimt, Vanille und getrockneten Früchten. So lässt es zumindest die bislang letzte verkostete Flasche des 1774er Vin Jaune erwarten. Sie wurde 1994 auf dem Chateau Pécauld in Arbois geöffnet, und die 24 auserwählten Weinkenner, die an der Verkostung teilnehmen durften, gaben dem Vin Jaune 9,4 von zehn möglichen Punkten. Der Wein war nicht nur trinkbar, sondern „excellent“, wie Michael Ganne von der Genfer Dependance von Christie’s berichtet.

Der 1774er Vin Jaune, ein Dessertwein aus dem französischen Jura, der gern als „Wein der Könige und König der Weine“ bezeichnet wird, ist der unbestrittene Höhepunkt der Genfer Versteigerung kostbarer Weine, die Christie’s am 15. Mai im Hotel des Bergues durchführt. 779 Lose werden aufgerufen, darunter auch zwölf Flaschen Mouton-Rothschild von 1945, jenem Jahr also, in dem Baron Philippe de Rothschild die Tradition der von Künstlern entworfenen Etiketten begründete und Philippe Jullian das Ende des Zweiten Weltkriegs feierte, indem er Churchills berühmtes Victory-Zeichen auf der Flasche zitierte. Die Taxe liegt bei 65.000 bis 85.000 Franken.

Kernstück der Auktion ist eine wohl singuläre Sammlung Chateau Latour, die 338 Flaschen und 43 Magnums umfasst, wobei nahezu alle Jahrgänge des 20.Jahrhunderts vertreten sind. Die Jahrgänge 1901 bis 1974 stammen aus Christie’s Latour-Auktion von 1977 und liegen seit damals in einem privaten Schweizer Weinkeller, ergänzt um die jüngeren Jahrgänge bis zum Jahr 2000.

(Quelle FAZ)

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