Aguirre, der Eroberer
“Ich bin der Zorn Gottes; die Erde, über die ich gehe, sieht mich und bebt.” Mit diesen Worten lässt Klaus Kinski seine anderthalbstündige Darstellung des Lope de Aguirre, baskischer Konquistador aus dem 16. Jahrhundert, ausklingen. Eindrucksvoll hat ihn Kinski in „Aguirre, der Zorn Gottes“ als habgierigen, menschenverachtenden, teils schon wahnsinnig erscheinenden Rebellen gegen die spanische Krone gemimt.
Doch was steckt wirklich hinter dieser Persönlichkeit, die in Literatur und Film so negativ dargestellt wird?
Spanische Entdecker und Abenteurer eroberten in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts große Teile Nord- und Südamerikas und machten das Gebiet zur spanischen Kolonie. Eingeborene Hochkulturen wurden vernichtet, der Ruhm und Reichtum des spanischen Königshauses wuchs. Zu diesem Zeitpunkt tauchte im ehemaligen Inkareich eine Legende auf, die noch heute Bücher und Filme füllt - die Legende von El Dorado, dem Land aus Gold. Als die Spanier davon hörten, gab es für sie nur noch ein Ziel: Es finden und die Schätze nach Spanien bringen.
Pedro de Ursúa war einer der Ersten, der sich 1559 im Auftrag des spanischen Königs Philipp II. auf die Suche nach dem Goldland, das im Herzen Kolumbiens vermutet wurde, machte. Etwa 300 Männer begleiteten Ursúa auf der Expedition, unter ihnen einer, der die Suche zum Scheitern verurteilte: Lope de Aguirre. Um 1511 in Oñate, einer Stadt im Norden Spaniens, geboren, hatte er sich bereits um 1536, direkt nach der spanischen Eroberung, nach Peru begeben. Als Philipp II. einige Jahre später das Verbot der Sklaverei aussprach, wendete sich Aguirre offen gegen diese Entscheidung. Zahlreiche Dokumente und Briefe sind überliefert, die seine rebellische und widerspenstige Natur schon zu diesem Zeitpunkt deutlich zeigen.
Aguirre machte während der Expedition seinen Standpunkt mehr als deutlich. Vor gar nicht langer Zeit wurden die Eroberer noch mit Reichtum und Macht überschüttet. Jetzt war es jedoch so, dass die Konquistadoren im Namen des spanischen Königs auf Eroberungszüge gingen und alles an die Krone abgeben mussten. Das führte bei Aguirre zu unverhohlenem Hass und Missgunst, war er doch der Meinung, dass die Eroberung Perus ein Privatunternehmen gewesen sei und dass Philipp II. aus diesem Grund gar keinen Anspruch auf die Ländereien und den damit verbundenen Reichtum hätte. Aguirre scharte Männer um sich. Viele schlossen sich ihm an, weil der schnelle Erfolg der Expedition ausblieb und die Unzufriedenheit wuchs. Am 1. Januar 1561 gelang ihm dann mit der Ermordung Ursúas der entscheidende Streich, wenige Wochen später sagte sich Aguirre mit seinen Anhängern dann offen und formell vom spanischen König los.
Der Adlige Fernando de Guzmán wurde neuer Anführer, sollte sogar König von Peru werden und Aguirre zeigte, dass nicht nur seine Kritiker, sondern auch seine Anhänger nicht vor ihm sicher waren. Jeder, der nicht hundertprozentig hinter ihm stand, wurde aus dem Weg geräumt. Er beherrschte seine Leute mit Intrigen, Morddrohungen und Hinrichtungen. Sein Wahnsinn gipfelte in der Tötung Guzmáns. Lope de Aguirre wurde endlich der neue Anführer, schiffte mit seiner deutlich geschrumpften Mannschaft zunächst den Amazonas hinunter und machte sich dann auf ins Landesinnere – hinter sich eine Spur von Blut und Zerstörung. Im Juli desselben Jahres erreichten die Männer die Insel La Margarita. Die letzten Monate hatten an den Kräften gezehrt und der ausgebliebene große Erfolg ließ die Anhänger zweifeln. Hungrig, geschwächt und vor allem auch jeglicher Motivation beraubt, desertierten immer mehr von ihnen und kehrten zu den spanischen Truppen zurück. Sie verrieten Aguirres Pläne und seinen derzeitigen Aufenthaltsort. Am 27. Oktober 1561 trafen der “Zorn Gottes” und seine letzten Männer in Barquisimeto auf die spanischen Truppen. Getötet wurde Lope de Aguirre, schließlich von den eigenen Leuten: Er wurde geköpft, gevierteilt und offen zur Schau gestellt - als abschreckendes Beispiel für all jene, die ebenfalls mit dem Gedanken spielten, sich gegen die spanische Krone zu wenden.
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