Nur Bestnoten, positive Kommentare und für jede Bewertung eine neue E-Mail-Adresse - ein Unternehmen sucht Heimarbeiter, die Bewertungen für Onlineshops faken. Eine Bewerberin bekommt Gewissensbisse und meldet sich bei der Verbraucherzentrale. Ihr Vertrag gibt Einblicke in ein dreistes System.
Es klang nach dem idealen Job: 1800 Euro brutto, Heimarbeit, bei freier Zeiteinteilung. Alles, was man brauchte, war ein Computer und Internetzugang. Die Frau war begeistert und meldete sich umgehend bei der Personalservice-Firma, von der die Anzeige stammte. Der Sitz war in Troisdorf bei Bonn. War - das muss man betonen. Im Juni saß die Firma noch dort, jetzt aber ist sie weder im Internet noch bei der Industrie- und Handelskammer Bonn aufzuspüren. "Sie ist uns nicht bekannt", sagt ein Sprecher der IHK und fügt hinzu: "Das ist schon sehr seltsam." Wie einiges andere auch an diesem Fall.
Vor allem die Dienstleistung, die die Firma anbot - und für die sie Mitarbeiter suchte. "Unsere Auftraggeber sind Betreiber kleiner und mittlerer Onlineshops", heißt es in der Broschüre, die der Dame zusammen mit einem unterschriftsreifen Arbeitsvertrag übersandt wurde. Für diese Auftraggeber solle sie täglich "auf ausgewählten Bewertungsplattformen" eine bestimmte Anzahl von Kundenrezensionen abgeben. Und zwar ausschließlich positive. Die Frau stutzte: Sie sollte also dafür bezahlt werden, dass sie 40 Stunden die Woche vor dem Computer sitzt und in neun Portalen, darunter etwa ciao.de oder billiger.de, Onlineshops bewertet, bei denen sie nie etwas gekauft hatte. Kurz gesagt: Sie sollte dreist lügen. Die Frau bekam Gewissensbisse und wandte sich an die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein.
"Das ist natürlich ein starkes Stück", sagt Boris Wita, Jurist bei der Verbraucherzentrale in Kiel. "Und mit Sicherheit kein Einzelfall." Der Informatiker Bing Liu von der University of Illinois in Chicago, der sich intensiv mit Kundenrezensionen im Netz befasst hat, schätzt, dass etwa jede dritte Bewertung gefälscht ist. Auch Wita ist überzeugt, dass viele Kommentare zumindest indirekt von den Unternehmen selbst stammen. "Aber beweisen kann man das kaum. Einen Vertrag, in dem das Vorgehen so detailliert aufgeschrieben wurde, hatte ich bis dahin nicht gesehen."
Aus den Unterlagen ging hervor, dass der Frau nach Unterzeichnung des Arbeitsvertrags eine Liste zugesandt worden wäre mit allen Firmen, die sie bewerten sollte. Für jede Bewertung müsse sie eine neue E-Mail-Adresse anlegen, so die Anweisung. Der Wortlaut ihrer Kommentare bleibe ihr überlassen. Sie müssten nur positiv sein. "Bei Gesamteindruck geben Sie 5 von 5 möglichen Sternen an." Zudem: "Achten Sie darauf, Ihre Kommentare kurz zu halten (max. 4-5 Zeilen) und schreiben Sie möglichst umgangssprachlich." Beispiel: "Klasse Abwicklung; mein bestellter Artikel wurde wie gewünscht geliefert."
Darauf angesprochen, sagte ein Sprecher von ciao.de, man sei "nicht besonders glücklich darüber, dass es solche Dienstleister gibt". Er gehe aber davon aus, dass ihr Einfluss auf das Gesamturteil über einen Anbieter gering sei - etwa weil bei ciao.de die Nutzer ihre Rezensionen auch gegenseitig bewerten.
Eine Sprecherin von billiger.de sagte, man tue alles, um "gefakte Bewertungen" aufzuspüren. "Aber ganz verhindern können wir sie nicht." Wita rät Verbrauchern, "immer skeptisch zu bleiben. Wer wissen will, ob ein Anbieter oder ein Produkt wirklich gut ist, sollte mehrere Portale besuchen." Am zuverlässigsten seien wohl "die unabhängigen Tests der Stiftung Warentest".
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