Berthold Beitz ist tot. Die Industrie-Legende (ThyssenKrupp) starb am Dienstag auf Sylt im Kreise seiner Familie – 7 Wochen vor seinem 100. Geburtstag.
„BB“ war eine letzte lebende, deutsche Legende.
► Mit 99 saß er noch am Steuer seiner Segeljacht – mit weißen Socken.
► Mit 99 ging er noch morgens auf die Jagd – mit Flinte.
► Mit 99 saß er noch fast täglich im Büro – mit Schlips.
► Mit 99 feuerte er noch den Aufsichtsrats-Chef von ThyssenKrupp – in coolen 15 Minuten.
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Er war ein barfuß laufender Landjunge (Mecklenburg-Vorpommern), der nie studiert hatte. Und er wurde zum letzten Patriarchen der deutschen Wirtschaft – zum lebenslangen Alleinherrscher des Stahlkonzernes Krupp (59 Jahre als Chef in der Villa Hügel, Essen).
Er war ein Glückskind und sah blendend aus. Wenig Alkohol. Den Weltkrieg überlebt: „Gesund bleiben heißt für mich: Nicht trinken, nicht rauchen, maßvoll Essen und früh ins Bett gehen“. Gute Gene. Viel frische Luft. Viel Selbstdisziplin.
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Sein Schicksal wurde in der Hotel-Bar des Hamburger „Vier Jahreszeiten“ beschlossen – er war 40.
Alfried Krupp von Bohlen und Halbach (1907–67) fragte ihn: „Wollen Sie mein Generalbevollmächtigter werden?“
Er wollte. Ein Handschlag. Der Rest ist Geschichte.
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Sein letztes, großes BILD-Interview war fast ein Vermächtnis!
BILD: Empfinden Sie Ihr hohes Alter als Geschenk oder als Last?
Beitz: „Solange ich gesund bin und jeden Tag arbeiten kann, empfinde ich das Alter als ein Geschenk.“
BILD: Glauben Sie an Gott?
Beitz: „Ich glaube daran, dass jemand seine Hand über mich hält, sonst hätte ich das alles nicht überstanden.“
BILD: Was treibt Sie an?
Beitz: „So lange ich noch klar denken kann, macht es mir Freude, Entscheidungen zu treffen.“
BILD: Sie sind seit 72 Jahren verheiratet! Das Geheimnis Ihrer Ehe?
Beitz: „Zusammenhalt! In guten und schlechten Zeiten.“
BILD: Im Rückblick auf ein erfülltes Leben. Was ist Glück?
Beitz: „Ich habe viel Glück gehabt in meinem Leben. Perikles sagte: ‚Das Geheimnis des Glücks ist die Freiheit! Das Geheimnis der Freiheit ist der Mut!‘ Danach habe ich gehandelt. Den glücklichen Moment muss man packen – und was daraus machen. Natürlich muss man auch den Mut dazu haben. Aber Mut wird belohnt! Das ist meine Erfahrung.“
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Im 2. Weltkrieg rettete er als Ölmanager in Polen Hunderte von Juden vor den Nazi-KZs (z. B. den Vater von Marcel Reif): „Die Gräuel des Krieges haben mich geprägt.“
In Jerusalem wurde für ihn ein Baum gepflanzt – auf der „Allee der Gerechten“. Ihn quälten lebenslang Albträume, weil er nicht noch mehr gerettet hat.
Er rettete hunderte Juden vor den Nazis
„Es war, als ob ein Engel plötzlich in die Hölle kam.“
So erinnerte sich ein Jude aus Boryslaw an Berthold Beitz. Das war am 6. August 1942 auf dem Bahnhof der ukrainischen Stadt. Ein Tag des Horrors: Viehwaggons voller Menschen auf den Gleisen, Wachhunde bellten, SS-Soldaten schrien Befehle, Hilferufe erklangen.
Mitten in dem Grauen fuhr plötzlich der damals 28-jährige Beitz in seiner Limousine vor. Er erläuterte den tobenden SS-Schergen, dass er die Juden auf seinen Ölfeldern brauche, zog viele von ihnen aus den Waggons und bewahrte sie so vor dem sicheren Tod. Gleich mehrfach stellte Beitz sich auf diese Weise gegen den Nazi-Terror, rettete hunderten Juden das Leben.
Bereits seit 1939 war der junge Manager aus Vorpommern in den besetzten Ostgebieten tätig, erst in Polen, ab 1941 leitete er für die Karpaten-Öl AG die Ölfelder von Boryslaw. Schockiert sah er, wie Juden auf offener Straße ermordet oder verschleppt wurden. Er beschloss zu handeln, rettete Arbeiter aus den Todes-Zügen, versteckte sogar ein Kind in seinem Büro.
Noch 1942 wurde er angezeigt und verhört. Durch Zufall war der zuständige Gestapo-Mann ein Schulfreund von Beitz – und ließ ihn gehen. 1944 musste er an die Ostfront. Er geriet in Gefangenschaft, floh und kehrte 1945 in die Heimat zurück.
Später sagte Beitz über die Kriegstage: „Ich war kein Held. Ich habe einfach als Mensch gehandelt.“
Seine schwierigste, vielleicht wichtigste Entscheidung: Er überredete den letzten kinderlosen Krupp, Arndt von Bohlen, zum Erbverzicht – Krupp wurde zur Stiftung.
Er war ein Gentleman und Wohltäter. Er trug Maßanzüge (hochgeschlossene Tab-Kragen) und unterstützte Ex-Diktator Honecker, als der nach dem Mauerfall keine Wohnung mehr hatte.
BB liebte Heide-Rosen, Eisbein, Jazz, expressionistische Kunst und seine Frau Else (93), 3 Kinder und 7 Enkel.
Er war ein Jahrhundertmann und ein Einzelgänger. Ein Pommern-Junge, der sitzen geblieben ist und die Banklehre machte. Er war nie in einem Verein oder in einer Partei: „Ich bin ein Bauch-Mensch.“
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„BB“ einmal auf Sylt: Er saß mit einem Glas Weißwein am Fensterbrett und blickte auf das matschige Watt: „Wenn ich hier sitze, bin ich glücklich.“ Drinnen brummte die Party. Er saß draußen.
Ein Jahrhundertleben. In 56 Tagen, am 26. September, wäre Berthold Beitz 100 geworden.
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