Augen zu und durch: Nach diesem Motto arbeiten Finanzbeamte eine Flut von Selbstanzeigen ab, die durch den Fall von Bayern-Manager Uli Hoeneß noch einmal verstärkt wurde. Das kann auch die Bearbeitung normaler Steuererklärungen verzögern.
Finanzamt in Wuppertal: "Erhebliche Belastungen bei Kolleginnen und Kollegen"
Hochsommerliche Temperaturen erschweren derzeit die Arbeit in ganz Deutschland. In den Finanzämtern des Landes bringt die Beamten aber noch ein anderer Faktor ins Schwitzen: Nach dem Ankauf von Steuer-CDs durch deutsche Behörden hat der Fall von Bayern-Manager Uli Hoeneß die Zahl der Selbstanzeigen weiter in die Höhe getrieben. Laut einer Umfrage der Deutschen Presseagentur lag sie in der ersten Jahreshälfte bei mehr als 14.500 - fast so viele wie im gesamten Vorjahr.
Manfred Lehmann, nordrhein-westfälischer Landesvorsitzender der Deutschen Steuergewerkschaft, sagte SPIEGEL ONLINE: "Die gestiegene Zahl der Selbstanzeigen führt zu erheblichen Belastungen bei den Kolleginnen und Kollegen." Häufig handele es sich um komplizierte Vorgänge, die viel Zeit kosteten. "Weil wir dafür kein zusätzliches Personal bekommen, können auf diese Weise Verzögerungen bei der Bearbeitung etwa von Steuererklärungen entstehen. Auch fehlt oft die Zeit für eine intensivere Prüfung. Augen zu und durch ist die Devise."
Vor Verzögerungen bei Routinekontrollen warnte auch der Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler, in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" ("FAZ"). Es bestehe die Gefahr, dass infolge der Selbstanzeigen "andere Sachen liegen bleiben". Auch gegenüber Steuerzahlern in NRW wurden verspätete Rückerstattungen bereits mit der erhöhten Arbeitsbelastung begründet.
Schon der Ankauf verschiedener Daten-CDs durch deutsche Behörden hatte zu einem deutlichen Anstieg von Selbstanzeigen geführt. Der Fall von Uli Hoeneß, der sich wegen eines Kontos in der Schweiz selbst bei den Behörden anzeigte, erhöhte den Druck zusätzlich. Hoeneß hatte ursprünglich darauf gehofft, seine Steuerschuld nachträglich über ein geplantes Abkommen zwischen Deutschland und der Schweiz begleichen zu können. Das Abkommen wurde aber vom Bundesrat gestoppt.
Dünne Beweise gegen Steuersünder
Auch bei der Bearbeitung der Selbstanzeigen verzeichnet der Münchner Rechtsanwalt Franz Bielefeld eine deutliche Zunahme. "2010 dauerte es nach der Selbstanzeige noch drei Monate bis zum Bescheid, heute sind es sechs bis acht", sagte er SPIEGEL ONLINE. Bielefeld hat nach eigenen Angaben seit 2008 mehr als 300 Klienten vertreten, deren Namen sich auf Steuerdaten-CDs fanden. Darunter war auch der Fall eines Ehepaares, das auf einer CD der Liechtensteiner LGT-Bank verzeichnet war und das aus Mangel an Beweisen freigesprochen wurde.
Das Paar hatte die Aussage verweigert. Zudem wurden bei einer Hausdurchsuchung keine Unterlagen zu jenem Vermögen von fast einer Million Euro gefunden, das die Eheleute bei einer Stiftung geparkt hatten. Bielefeld zufolge ist die Beweislage auch in vielen anderen Fällen dünn. So handele es sich bei den Angaben auf den Steuer-CDs zum Teil um handschriftliche Abschriften, die sehr fehleranfällig seien. Die Drohung mit den CDs durch die Behörden sei deshalb zum größten Teil "ein Bluff", sagte Bielefeld der "FAZ".
Schon im Herbst vergangenen Jahres hatte eine Anfrage der Piraten-Partei in Nordrhein-Westfalen den Verdacht genährt, dass viele Steuersünder trotz der erhöhten Anzahl von Selbstanzeigen straflos davonkommen. Demnach liefen infolge der CD-Ankäufe gegen mehr als 3400 Personen Verfahren wegen Steuerhinterziehung, doch gerade einmal elf davon wurden bislang zu Geldstrafen verurteilt. Dass die NRW-Behörden dennoch Einnahmen in dreistelliger Millionenhöhe melden, liegt dagegen vor allem an den Nachzahlungen infolge von Selbstanzeigen.
Haben Steuersünder also wegen Behördenüberlastung und schwacher Beweislage wenig zu befürchten - selbst wenn sich ihr Name auf einer Steuer-CD befindet? Auch wenn die Hoffnung auf Freispruch ihm neue Klienten verschaffen könnte, will Bielefeld dies nicht unterschreiben. "Wir wissen als Verteidiger zunächst nicht, wie die Datensätze aussehen. Das ist ein Vabanquespiel, das auch fürchterlich ins Auge gehen kann." Trotz des erhöhten Aufkommens könnten die Behörden zudem gut Wesentliches von Unwesentlichem trennen: "Das Erfahrungswissen der Finanzbeamten ist inzwischen so groß, dass sie erkennen können, ob die Selbstanzeigen taugen oder nicht."
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