Nackte Männerbrüste, lange Schlangen, Parfümwolken - die Markenzeichen des Modelabels Hollister. Hinter den Kulissen zeichnet sich der US-Mutterkonzern Abercrombie & Fitch außerdem durch haarsträubende Arbeitsbedingungen aus. Ein Betriebsrat hat jetzt geklagt - und ein skurriles Zugeständnis erreicht.
Stefan Garbotz ist das, was man bei der amerikanischen Modemarke Hollister einen "Overnighter" nennt. Sein Dienst fängt um 21 Uhr an, wenn der Laden in der Frankfurter Einkaufspassage MyZeil zugemacht hat. Bis zwei Uhr morgens füllt er dann Kapuzenpullis, Jeans und Sweatshirts in Lager und Laden auf, faltet die Ware, sichert sie gegen Diebstahl.
Diebstahl ist schon das richtige Stichwort, um das es an diesem Donnerstag auch vor dem Landesarbeitsgericht Frankfurt geht. Garbotz sitzt mit seinem Anwalt Peter Rölz dem Richter gegenüber, neben ihnen der Anwalt des Arbeitgebers, Gregor Dornbusch. Es ist nicht so, dass Garbotz geklaut hätte. Es geht eher um die Methoden des Arbeitgebers, mit denen er versucht zu verhindern, dass jemand klaut.
"Die Vorgesetzten durchwühlten regelmäßig die Taschen von Mitarbeitern, tasteten sie am Körper ab, man musste die Hosenbeine heben, als Beweis dafür, dass man darunter keine gestohlene Zweithose trug", schildert Garbotz diese Methoden am Rande des Prozesses. Die Kontrollen hätten nicht nur am Ende des Dienstes stattgefunden, sondern willkürlich zu jeder Zeit. Und es sei vorgekommen, dass Vorgesetzte sich über private Utensilien lustig gemacht hätten, die sie in den Taschen fanden.
Hollister ist die Zweitmarke des US-Modekonzerns Abercrombie & Fitch, der seit drei Jahren in Deutschland eine Filiale nach der anderen eröffnet und für Aufsehen sorgt. Das besondere an ihnen sind die künstlich erzeugten Schlangen davor und der künstliche erzeugte Duft drinnen. Leicht bekleidete, junge, durchtrainierte Männer locken vor allem pubertierende Mädchen an. Mit genervten Müttern warten sie bis zu einer halben Stunde in der Schlange, bis ihnen Einlass gewährt wird.
Drinnen herrscht Disco-Atmosphäre mit wummernder Musik und abgedunkeltem Licht. Die Mitarbeiter sind entweder "Impacter", die Regale einräumen, oder "Models", die in Fitnessstudios oder Schwimmbädern rekrutiert werden, 30 Euro pro Stunde verdienen und die Firmenphilosophie hochhalten: Hollister macht teure Mode nicht für jedermann. "Ganz ehrlich, wir wollen die coolen Kids. Viele Menschen haben in unserer Mode nichts zu suchen", hat der ansonsten verschwiegene Firmengründer Michael Jeffries, 68, einmal gesagt.
Dicke Luft herrscht in den Hollister-Läden nicht nur wegen des Parfüms. Das gilt besonders für die Frankfurter Filiale, die einzige in Deutschland, die bisher einen Betriebsrat hat. "Der Arbeitgeber hat alles versucht, um die Gründung zu verhindern", sagt Luthfa Rahman von der Gewerkschaft Verdi. Mitarbeitern sei gedroht worden, sie würden gekündigt, wenn sie an der Wahl teilnähmen. 200 Leute arbeiten in der Zweigstelle, zu 80 Prozent sind es Aushilfen, meist Studenten. Im November wurde der Betriebsrat gegründet. Sein Vorsitzender ist: Stefan Garbotz.
Die vorläufige Einigung klingt skurril: "Würfellösung"
"Wir machen einem amerikanischen Konzern gerade klar, dass in unserem Land andere Sitten und ein anderes Arbeitsrecht herrschen", sagt Gewerkschaftssekretärin Rahman. Sie habe so etwas im Einzelhandel noch nie erlebt. Es geht nicht nur um Diebstahlkontrolle, sondern auch um die Überwachung der Mitarbeiter am Arbeitsplatz. In Laden und Lager seien Kameras installiert gewesen, mit denen Mitarbeiter dauerhaft überwacht worden seien. "Das verletzt das Persönlichkeitsrecht massiv", sagt die Gewerkschafterin. Inzwischen habe der Arbeitgeber Blenden vor den Kameras angebracht.
An diesem Donnerstag aber geht es nur um die Taschenkontrollen. Betriebsrat und Arbeitgeber haben in der Zwischenzeit eine außergerichtliche Einigungsstelle angerufen. Die vorläufige Einigung hört sich skurril an, Arbeitgeber-Anwalt Dornbusch nennt sie "Würfellösung": Damit Vorgesetzte nicht mehr willkürlich jeden Mitarbeiter kontrollieren können, wird bei Dienstschluss gewürfelt. Durchsucht werden dürfen nur Beschäftigte, die eine Vier gewürfelt haben. Es ist dies ein Zufallsverfahren, wie es auch bei größeren Betrieben üblich ist, allerdings mit ausgefeilteren technischen Mitteln. Anfang Mai wollen sich die Parteien treffen, um eine endgültige Lösung zu finden. Das Verfahren vor Gericht ist deshalb eingestellt.
Gewerkschafterin Rahman erwartet, dass sie mit Hollister noch viel Arbeit haben wird. Es gehe darum, Arbeitsrechtsstandards aller Art durchzusetzen: Lärm, Arbeitszeiten, Befristung von Verträgen, Kleiderordnung. "Mitarbeiter wurden angehalten, die teuren Sachen von Hollister zu tragen, dabei verdienen viele nur 400 Euro im Monat", sagt Rahman. Das Problem sei, dass kaum etwas Schriftliches existiere, das System funktioniere über impliziten, mündlichen Zwang.
Und dann gibt es noch 16 Hollister-Shops in Deutschland, die überhaupt keinen Betriebsrat haben.
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