Jetzt kauft der Amazon-Chef richtig ein! Für 250 Millionen Dollar übernimmt Jeff Bezos (49) die Traditions-Zeitung „Washington Post“. Ausgerechnet er! Der Mann, der wie kaum ein anderer die Verdrängung gedruckter Bücher durch E-Books beschleunigt. Der Mann, der noch vor wenigen Monaten im Interview mit der „Berliner Zeitung“ gesagt hatte: „In zwanzig Jahren wird es keine gedruckten Zeitungen mehr geben.“
Im gleichen Interview sagte er aber auch: „Der Journalismus wird nicht verschwinden.“
Stellt sich die Frage: Was hat der Amazon-Chef jetzt mit der „Washington Post“ vor?
Vielleicht ist es nur ein Experiment. Denn: Bezos (geschätztes Vermögen 23,2 Milliarden Dollar) ist nicht darauf angewiesen, dass die berühmte Zeitung ihn reicher macht. Vielmehr interessiert er sich für den Journalismus, investierte im Frühjahr bereits fünf Millionen Dollar in die Website „Business Insider”, einen Blog, der Wirtschafts-Berichterstattung mit klickträchtigen Schlagzeilen produziert.
Die Angestellten der „Washington Post“ ließ er sofort wissen: „Ich werde die „Washington Post” nicht im Tagesgeschäft führen.” Zugleich kündigte er Veränderungen an: Durch das Internet sei alles im Wandel und es gebe keine Karte für den Weg in die Zukunft. „Wir werden experimentieren müssen.”
Traditionsblatt „Washington Post"
Die „Washington Post” hat mehr als einmal Geschichte geschrieben. Ihre Sternstunde erlebte sie Anfang der 70er Jahre, als die Reporter Carl Bernstein und Bob Woodward den Watergate-Skandal aufdeckten, der zum Rücktritt von US-Präsident Richard Nixon führte.
Und die Veröffentlichung der geheimen „Pentagon-Papiere” öffnete der amerikanischen Öffentlichkeit die Augen auf den Krieg in Vietnam und stärkte in einem Gerichtsprozess die Pressefreiheit.
Diese journalistischen Höhenflüge waren möglich, weil Verlegerin Katharine Graham fest hinter dem Kurs stand. Ihrer Familie gehörte die „Post” seit 1933, als ihr Vater die pleite gegangene Zeitung bei einer Auktion schnappte.
Im Besitz der Grahams wurde aus dem 1877 gegründeten Blatt eine amerikanische Institution. Katharines Sohn Don Graham kapitulierte nun aber vor dem aktuellen Wandel der Medienindustrie: „Das Zeitungsgeschäft brachte immer neue Fragen auf, auf die wir keine Antwort haben.”
Das Internet krempelt die Zeitungsbranche um - und die „Washington Post” verzeichnete sieben Jahre in Folge Umsatzrückgänge.
Ein erstes deutliches Alarmsignal kam 2009, als die Büros in Chicago, Los Angeles und New York dichtgemacht wurden. Einsparungen im Newsroom folgten. Don Graham zog jetzt den Verkauf an den milliardenschweren Amazon-Gründer Jeff Bezos einem strikten Sparkurs vor.
Bezos' Führungsstil bei Amazon ist so eigenwillig wie kontrovers. Man erzählt, er lasse in Besprechungen oft einen Stuhl frei – für den imaginären Kunden. In den klammen Anfangsjahren wurden kurzerhand Türen zu Schreibtischen umfunktioniert, Top-Manager müssen alle paar Jahre an die Telefon-Hotline. Wachstum geht vor Gewinn, selbst wenn es schwarze Zahlen gibt, sind sie für ein Unternehmen dieser Größe eher symbolisch.
Bezos, der als Kind viel Zeit auf der Ranch seines Großvaters in Texas verbrachte, gründete Amazon 1994. Die Firma überlebte das Platzen der Internet-Blase vor über zehn Jahren und ist der weltgrößte Online-Einzelhändler. „Ich habe in meinen Jahren im Geschäft gelernt, dass es am gefährlichsten ist, sich nicht von den anderen zu unterscheiden”, sagte Bezos in einem dpa-Interview. „Wir wollen Sachen erfinden, die den Leuten anfangs ungewöhnlich vorkommen – aber einige Jahre später für alle normal sind.”
Der quirlige Milliardär – vielleicht hätte er auch gar keine Zeit für die „Washington Post“. Bekannt ist er nämlich vor allem durch seine verrückten Hobbys: Raumfahrt zum Beispiel. Er versucht, Reisen ins Weltall auf die Beine zu stellen, eigenes Raumschiff inklusive. Ein Prototyp stürzte bei einem unbemannten Testflug sogar ab, Bezos bleibt dran und scheute in der Zwischenzeit keine Mühen, um Triebwerke der Trägerrakete von „Apollo 11” vom Meeresgrund zu heben.
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