Freitag, 12. Juli 2013

+++HOLLYWOODS NEUN BUCHSTABEN, oder 90 Jahre Traumfabrik-Schriftzug+++



Ollywood? Holywood? Oder gar Hollyweed?! Das Wahrzeichen der Filmmetropole wird 90 Jahre alt und musste schon einiges mitmachen: Etliche Male wurden die Buchstaben verulkt und verändert, waren Kulisse eines tödlichen Dramas - und stehen heute nur noch dank des "Playboy"- Gründers Hugh Hefner. 

Gnadenlos war die Hitze im Sommer 1932, genauso gnadenlos wie der Arbeitsmarkt in Hollywood. Am New Yorker Broadway hatte die Schauspielerin Lilian Millicent Entwistle, Rufname Peg, Publikum und Kritiker oft begeistern können. Doch im boomenden Hollywood war sie nur eine unter vielen. Sie wohnte bei ihrem Onkel und wartete vergeblich auf den Durchbruch. Doch mehr als eine unbedeutende Nebenrolle im Film "Thirteen Women" gelang ihr nicht. 

Also entschied sie sich zu einem radikalen Schritt. Er sollte ihr nachhaltig Ruhm sichern. 

Am Abend des 18. Septembers 1932 kletterte die verzweifelte Aktrice die steilen Pfade des Mount Lee hoch, angezogen von den 13 riesigen Buchstaben, die zum Wahrzeichen Los Angeles geworden waren und von Tausenden Glühbirnen in Intervallen erleuchtet wurden: erst HOLLY, dann WOOD, dann LAND. 

Zerplatzte Träume 

Als der Schriftzug "Hollywoodland" (das "-land" verschwand später) vermutlich am 13. Juli 1923 errichtet wurde, war er noch nicht das Markenzeichen der Filmmetropole, sondern zeugte von der Goldgräberstimmung örtlicher Unternehmer, unter ihnen der Zeitungsherausgeber Harry Chandler. Sie hatten das Land gegenüber dem Mount Lee zur angesagtesten Wohngegend von Los Angeles machen wollen. Dann kam die Weltwirtschaftskrise, und der Traum vom schnellen Geld zerplatzte. 

Jetzt, neun Jahre nach der Errichtung der berühmten Werbebuchstaben, stand "Hollywoodland" für den Traum vom schnellen Leinwanderfolg. Für Peg Entwistle hingegen waren die Buchstaben zum Symbol ihres Scheiterns geworden. Am Fuße des knapp 17 Meter hohen, weiß gestrichenen "H" zog sie ihren Mantel aus und kletterte auf den Riesenbuchstaben. Ganz oben angekommen stürzte sich die 24-Jährige vom "H" in den Tod. 

"Ich fürchte, ich bin ein Feigling", hieß es in einer Abschiedsnotiz, einem Zettel, den die Polizei bei der Leiche fand. "Es tut mir Leid für alles. Hätte ich dies bereits vor langer Zeit getan, hätte es viel Schmerz erspart." 

Der filmreife Selbstmord machte, so zynisch es klingen mag, jenen Schriftzug noch legendärer, der in den vergangenen neun Jahrzehnten immer wieder einen Blick in die Seele Hollywoods zu ermöglichen schien: Ging es in der Filmmetrople bergab, verrotteten auch die Buchstaben. Erholte sich die Industrie wieder, wurde das Wahrzeichen wie ein alternder Kinostar mit einem teuren Facelifting aufgehübscht - und erstrahlte frisch gestrichen wieder in neuem Glanz. Models posierten dann vor dem Schriftzug und Witzbolde oder Aktivisten veränderten ihn immer wieder mit Tüchern und Transparenten: Etwa 1987, als bei einem Papstbesuch aus Hollywood "Holywood" wurde - heiliger Wald. 

Auch wegen solcher Geschichten pilgern heute jährlich Tausende zu den Riesenlettern, die inzwischen so streng bewacht werden, als würde hier die Entscheidungsschlacht im Krieg gegen den Terror ausgefochten. Dabei waren die in unzähligen Filmen verewigten und von Popstars besungenen Buchstaben zuerst überhaupt nicht für die Ewigkeit gemacht. Ursprünglich sollten sie gerade einmal 18 Monate stehenbleiben. 

Geplant war trotzdem Großes: Für damals stattliche 21.000 Dollar ließ Zeitungsherausgeber Harry Chandler im Sommer 1923 die gigantischen Reklametafeln für sein neu erworbenes Land aufstellen. Zu der Zeit war das wohl das größte und aufwendigste Werbebanner der Welt. Visionär, verheißungsvoll und ziemlich selbstbewusst sollte die Botschaft wirken: Seht her, die Zukunft liegt in "Hollywoodland"! 

Olles Ollywood 

Für sein Projekt, so ließ Chandler stolz in seiner eigenen Zeitung vermelden, seien 200 Arbeiter eingestellt worden. Sie hätten in der Wildnis sieben Meilen für Wege freigelegt und 230.000 Kubikmeter Erde abgetragen. Amerikanischer Pioniergeist eben, auch technisch: An riesige Gerüste wurden die schweren Metallplatten gehängt, das Material musste mühsam mit Mauleseln auf den Hügel gekarrt werden. Um den insgesamt mehr als 150 Meter langen Schriftzug mit seinen 4000 Glühbirnen beleuchten zu können, musste Chandler extra Stromleitungen zum schroffen Bergkamm leiten lassen - und das in einer Zeit, in der selbst Las Vegas noch nicht grell blinkte und leuchtete. 

Nun gab es kein Entkommen mehr vor der Werbung, doch der Aufwand lohnte sich nur teilweise: Lediglich ein paar hundert Häuser entlang des Beachwood Drive entstanden, bevor die Weltwirtschaftskrise 1929 den Aufschwung erstickte. Chandlers Schild warb dennoch unverdrossen weiter, wenn auch schon bald mit einer anderen Botschaft: Hollywood war inzwischen zum Synonym für die Filmindustrie geworden - ein passenderes Wahrzeichen hätten sich die besten PR-Strategen von Los Angeles nicht ausdenken können. 

Trotzdem verkam das millionenfach fotografierte Schild im Laufe der Jahrzehnte immer wieder. Ende der vierziger Jahre stürzte als erster Buchstabe ausgerechnet jenes "H" den Berg hinab, von dem Peg Entwistle einst in den Tod gesprungen war. Nun sah die ganze Welt den Verfall: "OLLYWOODLAND" - das klang nicht mehr nach Aufbruch. 

Trauriges Jubiläum 

In der Tat durchlief die Filmindustrie in dieser Zeit eine Strukturkrise, weil die Amerikaner sich millionenfach Fernseher gekauft hatten und immer häufiger dem Kino fernblieben. Als Hollywood den Wandel schaffte und verstärkt auf TV-Produktionen setzte, hatte die Handelskammer von Los Angeles wieder Luft zur Imagepflege: 1949 entschied sie, die verwitterten Buchstaben zu restaurieren - bis auf die letzten vier, die abgebaut werden sollten: Das "LAND" verschwand für immer aus dem Schriftzug, und damit auch die ursprüngliche Werbebotschaft: Fortan feierte sich Hollywood nur noch selber. 

Der Kater kam Ende der Sechziger, als die Traumfabrik gleichsam mit ihren einstigen Stars wie Alfred Hitchcock, John Wayne und Cary Grant zu altern schien und einen Flop nach dem anderen produzierte. Das goldene Zeitalter war vorerst vorbei. 

So geriet 1973 das Jubiläum zum 50. Geburtstag des Schriftzugs fast zur ungewollten Trauerfeier, dabei hatte sich die städtische Kulturbehörde so viel Mühe gegeben: Offiziell verliehen sie dem Schriftzug nun den Status einer Sehenswürdigkeit. Doch irgendwie war es bezeichnend, dass für die Zeremonie mit Gloria Swanson nur ein Filmstar gewonnen wurde, deren Ruhm in der längst vergangenen Stummfilmära lag. Und dann zog auch noch dichter Nebel auf, so dass die Buchstaben kaum zu erkennen waren. Weit mehr Aufmerksamkeit bekam im selben Jahr sogar ein Marihuana-Freund, der mit Transparenten aus Hollywood "Hollyweed" gemacht hatte. 

Rettung für die berühmten Buchstaben 

Es ging sogar noch weiter bergab: Erst brach die Spitze des "D" ab, dann stürzte ein "O" ins Tal, und irgendein Verrückter versuchte, das zweite "L" anzuzünden. Die Handelskammer von Los Angeles zog die Notbremse und entschied, das Schild müsse für rund 250.000 Dollar komplett neu gebaut werden - Geld, das nicht vorhanden war.

Kurz vor dem Ende half ein Mann, der genau wusste, wie wertvoll Markennamen sein können: "Playboy"-Gründer Hugh Hefner. 1978 lud der Millionär zahlreiche Prominente in seine Privatvilla ein, wo die Gäste für 27.700 Dollar zum offiziellen "Paten" eines Buchstabens werden konnten. Eine einmalige Gelegenheit, sich für einen guten Zweck unsterblich zu machen - und die Strategie, an das Ego der Stars zu appellieren, ging auf: Pop-Sänger und TV-Moderator Andy Williams übernahm das "W", der Rocker Alice Cooper das "O" und Hefner selbst das "Y". 

Als alle Buchstaben einen Retter gefunden hatten ging es ganz schnell: Im August 1978 wurden die alten Lettern abgerissen, nur drei Monate war Hollywood seines Schriftzugs beraubt, dann standen die neuen Buchstaben an alter Stelle. Es glich einer symbolischen Wiedergeburt, und doch ließen sich die Geister aus den Zeiten des abgerissenen Schildes nicht ganz vertreiben. 

Geisterstunde 

Hartnäckig kursierten Gerüchte von weißen, unheimlichen Gestalten, die genau dort gesichtet wurden, wo sich Peg Entwistle 1932 das Leben genommen hatte. Irgendwann war diese Legende derart bekannt, dass auch die Macher der "Drei Fragezeichen" in Folge 128 die berühmten Jugenddetektive ermitteln ließen. Und natürlich sprang darin genau um Mitternacht ein vermeintlicher Geist vom "H" in die Tiefe und versetzte Angsthase Peter Shaw in Todespanik. 

Dabei wäre so viel Spuk gar nicht nötig gewesen. Die Realität war weit schauriger als das Krimi-Hörspiel: Kurz bevor sich Entwistle umbrachte, hatte ihr ein großes Filmstudio endlich die so lang ersehnte Hauptrolle angeboten. Der Brief kam zwei Tage zu spät an - und war doch seiner Zeit voraus gewesen: Es klingt nach einer Legende, doch Entwistle sollte tatsächlich eine Frau spielen, die sich am Ende des Films umbringt. 

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