Dienstag, 7. Mai 2013

+++"THE ROCKET" RONNIE O`SULLIVAN, oder wenn das Snooker-Genie nur zur Titelverteidigung auftaucht+++


Er kam, sah und siegte: Nach einem Jahr Pause kehrte Ronnie O'Sullivan für die Weltmeisterschaft auf die Snooker-Bühne zurück - und verteidigte sensationell seinen Titel. Der Exzentriker ist wieder da. Und kündigte an, bleiben zu wollen.

Er hatte Langweile, deswegen ist er zur Snooker-Weltmeisterschaft nach Sheffield gekommen. Gewinnen? Wie denn? Doch nicht nach einem Jahr Pause. "Ich dachte, ich könnte mich hier etwas beschäftigen", sagte Ronnie O'Sullivan: "Mein Hauptmotiv war nicht, hier zu gewinnen." Hat er aber, im Finale gegen Barry Hawkins, und damit seinen eigenen Mythos genährt. Der Typ ist wahnsinnig. Im Sinne des Wortes, aber auch wahnsinnig erfolgreich.

37 Jahre alt, Engländer, fünffacher Weltmeister, mehr als acht Millionen Dollar Preisgeld: Das ist Ronnie O'Sullivan. Es gibt erfolgreichere Spieler in der Geschichte des Snooker-Sports, mit mehr Titeln und mehr Preisgelder. Aber es gibt keinen Größeren. "Er ist der Beste aller Zeiten", hat Stephen Hendry, selbst siebenmaliger Weltmeister und Snooker-Ikone, einmal über O'Sullivan gesagt.
Es gibt diese Sportarten, die besetzen eine Nische, aus der sie herauskriechen können, weil sie ein einzelner Sportler aus ihr herauszieht. Eine alles überstrahlende Figur, die den Sport außerhalb seiner Grenzen populär macht. Phil Taylor ist das mit Dart gelungen, dem Snowboarder Shaun White auch, Ronnie O'Sullivan ist das Gesicht des Snooker.

Der mediale Erfolg der Billard-Variante ist eng verbunden mit dem sportlichen Erfolg O'Sullivans. Schon mit 16 Jahren wurde er Profi, mit 17 qualifizierte er sich als drittjüngster Spieler der Snooker-Geschichte für eine Weltmeisterschaft. Kurz vor seinem 18. Geburtstag gewann O'Sullivan die UK Championship, nach der WM das zweitwichtigste Turnier auf der Tour. Bis heute war kein Sieger dort jünger.

Schnellstes "Maximum Break" der Snooker-Geschichte

"The Rocket" wird O'Sullivan genannt. Den Spitznamen hatte er in seiner Anfangszeit verpasst bekommen, wegen seines schnellen Aufstiegs. Doch mit der Zeit stand der Name mehr für O'Sullivans schnelle Spielweise, weil er zwischen zwei Stößen mitunter nur wenige Sekunden überlegt, sei die Aufgabe noch so schwer. Als die ganz hohe Kunst im Snooker gilt das "Maximum Break". Dafür muss ein Spieler alle Kugeln in einer bestimmten Reihenfolge einlochen und 147 Punkte erzielen, ohne dass sein Gegner an den Tisch kommt. O'Sullivan gelang das 1997 in fünf Minuten und zwanzig Sekunden, nie war ein Spieler schneller.

Doch der erfolgreiche Snooker-Profi ist nur die eine Seite des Ronnie O'Sullivan. Ein "Wanderer zwischen Genie und Wahnsinn" nannte ihn die "FAZ" einmal. Das Wahnsinnige sind seine Exzesse, seine Süchte, seine Krankheiten.

"Immer wenn ich glaube, ich hätte meine Dämonen besiegt, erhalte ich wieder einen Dämpfer", hat O'Sullivan vor fast zehn Jahren dem SPIEGEL gesagt. Er leidet seit seiner späten Jugend - womöglich bis heute - unter Depressionen und Panikattacken. Es gab Zeiten, in denen O'Sullivan jede Menge trank und Cannabis konsumierte. "Wenn ich trinke, dann die ganze Nacht durch. Das ist meine Persönlichkeit", hat er einmal gesagt. O'Sullivan fraß sich 25 Kilogramm an - natürlich in Rekordzeit - und trainierte diese mit täglichen Fitnessübungen ebenso schnell wieder ab.

All diese Geschichten waren der Nährboden für das Image des "Bad Boy des Snooker", das O'Sullivan verkörpert. Kultiviert hat er das durch zahlreiche Aktionen während großer Turniere. Einem Offiziellen griff er einmal in den Schritt, über dem Kopf eines Journalisten kippte er Eiswasser aus. Bei der WM 1997 spielte der Rechtshänder einen kompletten Frame - vergleichbar einem Satz beim Tennis - mit links, weshalb ihm sein Gegner Alain Robidoux nach dem Spiel den üblichen Handschlag verweigerte.
O'Sullivan ist einer der ganz wenigen Spieler, die mit beiden Händen spielen können, und das auch noch gut. "Meine rechte Hand ist wie meine Ehefrau, die linke wie eine Geliebte. Man muss sich um beide sehr gut kümmern", beschrieb O'Sullivan einmal seine außergewöhnliche Fähigkeit.

Sein Talent und seine vielen Erfolge brachten dem dreifachen Familienvater viel Geld ein. Bei der WM sagte O'Sullivan jetzt: "Ich weiß nicht, wo das ganze Geld geblieben ist." Für den Titel bekommt er knapp 300.000 Euro, das er nach eigener Aussage "als Schulgeld für die Kinder" braucht. Und dann sagte O'Sullivan noch seinen Satz, der die Snooker-Fans - bei allem Mitleid - freuen dürfte: "Ich kann es mir gar nicht leisten, zurückzutreten."



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