Freitag, 26. April 2013

+++HOENESS-TALKSHOW-MARATHON, oder Gerechte gegen Selbstgerechte+++


Erst Jauch, dann Plasberg, jetzt Illner: Der Fall Hoeneß ist so groß, dass er locker für drei Talkshows reicht. Neue Erkenntnisse brachte die ZDF-Runde zwar nicht. Es war dennoch sehr kurzweilig, weil die Teilnehmer Selbstkritik übten und sich den großen Fragen widmeten.


Was wären nur die Talkshows ohne jene Personalskandale, die der Republik mit schöner Regelmäßigkeit ihre leicht moralingesäuerten Erregungszustände bescheren? Die Muster gleichen einander, bis hin zum Besetzungsschema. Der Steuersache Uli Hoeneß allerdings gebührt bereits jetzt ein Sonderstatus. Gerade einmal eine knappe Woche hat sie gebraucht, um bereits erste Abnutzungserscheinungen erkennen zu lassen und beim TV-Zuschauer ein gewisses Déjà-vu-Gefühl hervorzurufen.

Dass bei Maybrit Illner mit neuen spektakulären Enthüllungen aufgewartet werden würde, dürfte angesichts des schwebenden Verfahrens kaum jemand erwartet haben. Aber wieder saß dort der investigative SZ-Journalist Hans Leyendecker, der erneut um unspektakuläre Differenzierung bemüht war. Wieder durften sich zwei Politiker ein bisschen über das gescheiterte deutsch-schweizerische Steuerabkommen streiten, wahlweise assistiert oder konterkariert von fachlicher Seite.
Selbstverständlich musste auch abermals jemand aus der Abteilung Sportjournalismus ran, diesmal die ZDF-Moderatorin Katrin Müller-Hohenstein, die jedoch außer einem Bekenntnis ihrer ungebrochenen Bewunderung für den FC-Bayern-Boss kaum etwas Wesentliches beizutragen hatte. Und es wurde auch wieder ziemlich viel von all dem aufgetischt, was bisher schon zur Causa Hoeneß zu hören und zu lesen war, zum Adidas-Deal, zu den Motiven - stets im unvermeidlichen Spekulationsmodus. Wie hat er nur, wie konnte er nur? Ach ja, er ist bekanntlich ein Zocker und betrachtete die 20 Millionen als Spielgeld.

Im Fall Hoeneß "den Ball flach halten"

Klingt, als sei es eine eher langweilige Sendung gewesen, oder? War sie aber erstaunlicherweise gar nicht, höchstens ein bisschen zahm - oder, positiv gesagt, nachdenklich -, obschon sich Illner zu Anfang bemühte, das Thema möglichst brisant rüberzubringen. Vielmehr zeigte sich, dass es gerade auch in einem solchen Fall lohnen kann, einmal etwas dezenter zur Sache zu gehen. Oder, um es mit den Worten des immer so angenehm volkstümlichen CDU-Volksvertreters Wolfgang Bosbach zu sagen, "den Ball schön flach zu halten".

Das war an die Adresse der eigenen Zunft gerichtet, und es hatte etwas nahezu Wohltuendes, wie er daran erinnerte, dass es eben auch in der Politik nicht nur Gerechte, sondern auch Selbstgerechte und außer den Heiligen noch die Scheinheiligen gebe. Er selbst habe jedenfalls nicht die Absicht, sich in die lange Schlange derjenigen einzureihen, die sich im Glanz des Mannes aus München gesonnt und jetzt so abrupt von ihm abgewendet hätten. Von einer Reizfigur sei er zur allseits geachteten Respektsperson geworden. Doch nun leide er unter dem Reputationsverlust sicherlich mehr als unter dem, was ihn der eingestandene schwere Fehler sonst noch kosten werde. Und überhaupt sollten sich die Politiker zurückhalten, statt die Angelegenheit zu instrumentalisieren.

Da gab es viel zustimmendes Kopfnicken, obschon Letzteres nicht mehr als ein frommer Wunsch ist, denn im politischen Spielfeld ist der Ball längst unwiderruflich gelandet, zu besichtigen in eben auch dieser Runde wieder, die vom Fall Hoeneß alsbald abkam und sich - was ja auch richtig ist - den wichtigen Grundfragen von Steuerehrlichkeit und -gerechtigkeit widmete. Man möge bitte "den Pranger einpacken" und endlich wirksamer die Steuerhinterziehung bekämpfen, forderte fast mantramäßig Reiner Holznagel, Präsident des Steuerzahlerbundes, und mochte sich auch die Phrase nicht ersparen, dass diese Straftat kein Kavaliersdelikt sei.

Wenn auch entscheidende Neuentdeckungen auf dem Feld der Bekämpfung ausblieben - vom CD-Ankauf über das Austrocknen der Steueroasen und Aufstocken des Fahndungspersonals bis hin zu Peer Steinbrücks legendärer Drohung mit der Kavallerie blieb nichts unerwähnt -, so wurde doch deutlich, dass rhetorische Korrekturen allein nicht reichen dürften. Da mochte sich Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin noch so ausgiebig über den verharmlosenden Begriff "Steuersünder" echauffieren.

Zwischen "Vollkatastrophe" und Wahlkampfgeplänkel

Journalist Leyendecker vermerkte nicht ohne Genugtuung, dass die gesellschaftlichen Maßstäbe bezüglich der Wirtschaftskriminalität sich allgemein verändert hätten und heute strenger seien. Der Druck gegen solchen Betrug am Gemeinwohl wachse und selbst das einstige Amigo-Land Bayern sei mittlerweile von seinem früher sehr speziellen, nämlich oft lasch praktizierten Strafrechtsanspruch abgekommen. Dass nun gar die Schweizer Banken selbst anfingen, den Schwarzgeldkunden zu kündigen, sei ein hoffnungsvolles Zeichen.

CDU-Mann Bosbach warb derweil tapfer im Konjunktiv irrealis für das nicht zustande gekommene Steuerabkommen mit dem Nachbarland, und zwar ganz allein. Dass Trittin noch einmal die bekannten Einwände der Opposition zu Protokoll geben würde, war absehbar. Man wisse nun, welche Leute die Regierung habe billig davonkommen lassen und schützen wollen: solche wie Hoeneß. Aber auch unter den übrigen Anwesenden fand sich niemand, der dieses Scheitern bedauert hätte.
Am wenigsten mochte dies Sebastian Fiedler vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) tun, ein Wirtschaftskriminalist. Er wies nicht nur darauf hin, dass von den deutschen Milliarden in den Steueroasen ein beträchtlicher Teil aus illegalen Geschäften stamme und daher endlich auch die Geldwäsche im Inland konsequent bekämpft werden müsse, wodurch es dann gegen Ende hin doch noch ein wenig sensationsaffin wurde - er sagte auch, das Schweiz-Abkommen wäre eine "Vollkatastrophe" geworden, was übrigens alle Sachverständigen prophezeit hätten.

Da wurde der freundliche Herr Bosbach aber dann doch etwas fuchsig, hob an, seinerseits Experten zu zitieren, und mokierte sich, die größte Steueramnestie aller Zeiten habe ja nun einst Rot-Grün ins Werk gesetzt. Trittin widersprach prompt, und spätestens da wurde einem als Zuschauer wieder mal bewusst, dass Wahljahr ist.

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