Freitag, 30. November 2012

+++GOTTSCHALK bei LANZ zu Gast+++



Der neue "Wetten, dass..?"-Moderator lädt den alten zum Plausch: Thomas Gottschalks Auftritt bei Markus Lanz erinnert an ein therapeutisches Gespräch. Ganz so altersweise und gelassen, wie er glauben machen will, ist Gottschalk eben doch nicht.

Es ist gar nicht so leicht, als jemand durchs Leben zu gehen, der alles leicht nimmt. Aber zum Glück kann man es leicht nehmen, dass man es gar nicht so leicht hat. Ungefähr in dieser Dialektik schillerte das, was Thomas Gottschalk am Donnerstag in der Talkshow von Markus Lanz erzählte. Er war zu einem 75-minütigen Einzelgespräch gekommen. Es wirkte phasenweise fast therapeutisch, obwohl der Patient guter Laune war und nicht müde wurde zu betonen, dass es ihm an nichts fehle.

Aber es hilft dann ja doch, sich das alles noch einmal von der Seele zu reden. Das Elend mit den Journalisten, vor allem. Die aus jedem Witz, den er im Übermut auf Kosten eines anderen reißt, gleich ein Drama machen. Die vor Jahren aufgrund ein paar irreführender Indizien meinten, er müsse etwas mit Scientology am Hut haben, und selbst seine Richtigstellung als eine Art Beichte verkauften. Die er in all den Jahren nicht davon überzeugen konnte, dass er gut war, unabhängig davon, dass sie natürlich in Einzelfällen recht hatten, wenn sie schrieben, dass er nicht gut war.
Bis vor kurzem habe er immer noch geglaubt, dass er die Kritiker rumkriegen werde, sagte er, und gedacht: "Irgendwann werden sie merken, nach 20 Jahren, dass ich's kann." Das Problem mit den Kritiken? "Wenn du die guten ernst nimmst, musst du auch die schlechten ernst nehmen."

Es ist anstrengend, dem Publikum zu gefallen

Es war ein merkwürdiger Kontrast: Einerseits die Gelassenheit und Altersweisheit, die Gottschalk ausstrahlte, die Beteuerungen, dass man das alles nicht so wichtig nehmen dürfe: weder die Erfolge noch die Niederlagen; die Kritik nicht und das Fernsehen schon gar nicht. Und andererseits die ausufernden Wortschwalle, in denen er sich dann doch über die Zumutungen der Umstände, über das Missverstandenwerden und das Zuernstgenommenwerden beklagte.

Denn bei allem, was er leicht nimmt, scheint das eine schwere und immer wieder heikle Sache: Dass er dem Publikum gefallen will. Es war gleich die erste Antwort, die eine Ahnung davon gab, wie anstrengend das sein kann. Lanz hatte ihn darauf angesprochen, dass er ihm beim Reinkommen ins Studio angesehen habe, wie angetan er von den positiven Reaktionen des Publikums gewesen sei. Und Gottschalk sagte: "Wenn ich nicht den Eindruck hätte, dass das, was ich mache, von den Leuten auch gewollt wird, hätte ich meinen Beruf verfehlt. Und das brauchst du immer wieder. Du kannst dir nicht die Bestätigung für frühere Erfolge irgendwo abheften und sagen: Das gilt für den Rest deines Lebens."

Um den Zuspruch an diesem Abend musste er sich keine Sorgen machen: Das Studio schien gefüllt zu sein mit mittelalten, ihm verfallenen Frauen, die jede beiläufige Halbpointe beglucksten, begackerten und beklatschten. Am Ende der Sendung setzte er sich ohne erkennbaren Anlass, aus reinem Übermut, verkehrtherum auf den Stuhl, drehte sich zu ihnen um, lachte befreit und wackelte mit den Beinen.

Gestrüpp aus abgebrochenen Sätzen und halben Gedanken

Zu den Menschen, die die Dinge zu ernst nehmen, gehört neben Journalisten und den üblichen Berufsbedenkenträgern aber natürlich auch Markus Lanz. Der versuchte angestrengt hartnäckig, Gottschalk zur psychologischen Selbstanalyse zu animieren: über das Nichtaufhörenkönnen, den Unterschied zwischen dem öffentlichen und dem privaten Gottschalk oder das Geheimnis seiner vierzigjährigen Beziehung. Aber selbst wenn der sich mal für einen Moment darauf einließ, verlor er sich innerhalb kürzester Zeit in einem Gestrüpp aus abgebrochenen Sätzen und halben Gedanken und relativierte im Palaver das bisher Gesagte.

Einmal machte er Lanz' typische vorgebeugt-angespannte Gesprächshaltung nach und sagte: "Du hast einen gewissen Grundernst, der mir fehlt. Du willst dann wirklich was von den Leuten wissen." Gottschalk ist es im Zweifel egal. Er hat kein Interesse daran, irgendwelche Dinge über die Menschen herauszufinden, nicht einmal über sich. Er will einfach nur reden. "Ich halte jede Chance, mit einem Menschen zu kommunizieren, für eine gute, und wenn du's nicht tust, für eine vertane." Warum auch immer.

Der Talk bei Lanz zeigte, wie sehr aus dem ewigen berufsjugendlichen Gottschalk ein reifer Herr geworden ist, der mit seinem Alter und seiner Lebenserfahrung kokettiert. Er hat was von Hans-Joachim Kulenkampff.

"Im Notfall auch in der Lage, mir Scheiße schön zu reden"

Gottschalk erzählte, dass er ja schon die vierte Generation Boy Groups durchhätte - die ersten waren die Bay City Rollers. Er litt ein wenig, dass er nicht mehr all das tragen kann, was er gerne tragen würde (das ahnte man vorher auch nicht, dass es bei Gottschalk überhaupt eine Mode-Kategorie "kann man nicht tragen" gibt), aber dann fügte er gleich hinzu, wie sinnlos und überflüssig es sei, Vergangenem nachzutrauern.

Seine Lebensweisheiten klangen so: "Ich bin, wie ich bin, und Gott sei Dank hat's immer gereicht." Und so: "Ich habe die Fähigkeit, mit mir im Reinen zu sein, auch wenn's mal nicht läuft. Ich bin im Notfall auch in der Lage, mir Scheiße schön zu reden, das geb ich zu."

Nur mit seiner Rolle in der RTL-Bohlen-Show "Das Supertalent" hat er das noch nicht geschafft. "Ich sitze jetzt ein bisschen da wie der Kaplan, der im Stripteaseclub gelandet ist", sagte er. Es ärgere ihn, dass er da nicht einfach Spaß habe, sondern eine "bildungsbürgerliche Haltung" ausstrahle, die ihm eigentlich bloß unterstellt werde.

Ob er das wieder macht, wisse er noch nicht. Er machte das mit der Servicementalität des pflichtbewussten Unterhalters nicht vom eigenen Vergnügen, sondern seiner Nützlichkeit abhängig. "Ich mache ja nichts, wo ich sage, da haben die nichts davon. Wenn ich mich hierhin setze und du sagst hinterher, den Gottschalk hätt' ich mir auch schenken können, ist das für mich genauso ärgerlich."

Dass das erstaunlich wenig kokett klang, lag daran, dass er einen Satz hinzufügte, den er unzweifelhaft ernst meint: "Es ist ja für die Leute."

Keine Kommentare: