Spargel entschlackt, quietschende Stangen sind die allerbesten, regionale Ware ist immer gut: Das Frühlingsgemüse ist von Irrglauben und Halbwahrheiten umgeben. Worauf Sie wirklich achten sollten, wenn Sie Spargelgenuss haben wollen.
Spargel gehört für viele Menschen zum Frühling dazu. (Foto: Alessandra Schellnegger)
Mehr als 40.000 Artikel liegen in einem durchschnittlichen deutschen Supermarkt aus. Welche davon taugen etwas? Was nützt, was schadet der Gesundheit? Wie sinnvoll sind Bio-Nahrungsmittel und welche Werbefallen stellt die Lebensmittelindustrie dem Konsumenten?
Weißen Spargel umgibt der Nimbus des Luxuriösen. Er ist ein knappes Gut, das nur in einem engen Zeitfenster von April bis 24. Juni erhältlich ist. Sein Anbau ist aufwändig und erfordert noch immer viel Handarbeit, die Preise sind entsprechend hoch. Nun sind die gebeugten Rücken der Spargelstecher nicht unbedingt eine gutes Verkaufsargument, weshalb dem Gemüse allerlei zweifelhafte Vorzüge angedichtet werden.
So kann man immer wieder lesen, Spargel sei ein hervorragendes Mittel zur Entschlackung. Auf den ersten Blick erscheint dies plausibel, schließlich scheint er eine leicht harntreibende Wirkung zu haben und der Urin riecht so, als würde mit ihm Schädliches noch aus der hintersten Körperwindung herausgespült. Leider ist dies Humbug. Es gibt keine Schlacken im Körper. Und der seltsame Geruch - selbst das ist untersucht - stammt vom Spargel selbst.
Auch bei Blasenentzündungen, Verstopfungen, Parasitenbefall und was sonst noch alles überliefert wird, hat Spargel keine nachgewiesene Wirkung. Allerdings spricht auch nichts gegen das Gemüse. Es enthält recht viele Vitamine, vor allem Folsäure, und ist kalorienarm. Das gilt allerdings nur, wenn man ihn nicht mit den üblichen Fettexzessen wie Sauce Hollandaise oder massenhaft gebräunter Butter serviert.
Qualität und Tricks der Händler
Da gibt man viel Geld für das Saisongemüse aus, schleppt einen speziellen Spargeltopf durchs ganze Jahr und überwacht den Garprozess mit einer Aufmerksamkeit, als operiere man in einem Hochsicherheitslabor. Und am Ende spuckt man doch wieder harte Fasern auf den Teller. Hat einem der Händler erneut schlechte Ware angedreht? Eher nicht. "Eine gewisse Holzigkeit ist bei der Schale normal", sagt Bernhard Brückner, Agrarwissenschaftler am Leibnitz-Institut für Gemüse und Zierpflanzenbau in Großbeeren. Bis zu ein Drittel der Fasern muss der Käufer wegschälen. Wer dabei zu sparsam ist, bringt sich um den Genuss. Dass die Spargel auch innen verholzt sind, ist dagegen eher selten, so Brückner.
Das Entscheidende beim Spargel ist die Frische - und dabei ist der Spielraum nur klein: "Wir haben in Geschmackstests festgestellt, dass der höchstens einen Tag alte Spargel besser schmeckt als einer, der schon einige Tage alt ist", sagt Brückner. Woran genau das liegt, ist immer noch ein Rätsel. Möglicherweise spielt der schnell einsetzende Abbau von Zucker eine Rolle. Sicher ist, je älter der Spargel, desto mehr verliert er an Feuchtigkeit, Festigkeit und Geschmack "Sehr alter Spargel kann sogar eine muffige Note haben", sagt Brückner. Der Agrarforscher empfiehlt, ab Hof oder bei einem Verkäufer des Vertrauens direkt im Erzeugergebiet einzukaufen.
Wer diese Möglichkeit nicht hat, kann leicht in die Irre gehen. Denn Kunden stoßen in Geschäften meist auf Spargel, der in Hüllen eingepackt ist, auf denen etwas zunächst Vertrauenserweckendes wie Handelsklasse Extra steht.
Doch das Problem: Die Handelsklassen Extra, I und II sind offiziell längst abgeschafft. Viele Händler geben sie auf freiwilliger Basis weiter an, doch ob die Ausweisungen den Gütekriterien entsprechen, wird kaum kontrolliert. Peter Sutor, Spargel-Experte an der bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, empfiehlt daher: "Der Verbraucher muss sich immer selbst ein Bild vom Spargel machen."
Doch genau dabei gibt es in vielen Geschäften eine weitere Schwierigkeit. Die Hüllen verbergen, was besonders viel über die Qualität verrät: die Enden der Spargel. Wenn möglich, sollten Verbraucher dennoch einen vorsichtigen Blick unter die Papiertütchen werfen.
Bei diesen Zeichen sollten Sie stutzig werden
Sehr frischer Spargel ist fest, prall und feucht. Vorsicht ist geboten, wenn Sie folgende Phänomene sehen:
Der Spargel ist so lang, dass Sie zweifeln, ob Ihre Teller groß genug sind. Als Maximallänge für Qualitätsware gelten 22 Zentimeter, damit passen die Stangen gerade so auf handelsübliche Teller. Wesentlich längerer Spargel neigt am unteren Ende zum Verholzen, sagt Sutor. Der Kunde zahlt für Teile, die er doch nur wegschneidet.
Die Stangen werden nach unten hin schmaler oder sind sehr biegsam. Dies sind Zeichen, dass der Spargel bereits Feuchtigkeit verloren hat. Frische Stangen sind fest und brechen leicht. Deshalb sollten Sie die Festigkeit nur sehr, sehr vorsichtig testen.
Der Schnitt ist sehr schräg gesetzt: Hier wurde beim Spargelstechen unsauber gearbeitet; die Folge: Über die größere Oberfläche verliert der Spargel mehr Wasser und trocknet eher aus. Besser sind rechtwinklige Schnitte, erläutert Sutor.
Die Schnittkante wirkt sehr trocken. Aus ihr ragen einzelne Fasern heraus oder das Gewebe hat sich schon zurückgezogen. Dies deutet laut Brückner darauf hin, dass der Spargel schon älter ist oder falsch gelagert wurde.
In der Schnittkante sieht man Löcher. Dann ist der Spargel wahrscheinlich hohl. Solche Hohlräume entstehen mitunter beim Anbau und sind nicht immer vermeidbar, erklärt Sutor. Allerdings verholzen die Spargel entlang dieser Hohlräume leicht. Am Anfang der Saison tritt dieser Mangel häufiger auf.
Die Köpfe sind offen. Der Kopf ist das beste, ist er nicht mehr geschlossen, verliert der Spargel laut Sutor an Geschmack.
Als nur bedingt zuverlässig bewertet Brückner den Quietschtest, der immer wieder empfohlen wird. Frischer, fester Spargel quietscht tatsächlich beim Aneinanderreiben der Stangen. Doch ob der Spargel nur einen oder schon drei Tage alt ist, lässt sich am Geräusch nicht festmachen. Diese Zeitspanne aber kann über den Geschmack entscheiden.
Ökologischer Wahnsinn: Welcher Spargel ist vertretbar?
Fast jeder Supermarkt ermöglicht heute Spargelmahlzeiten selbst im tiefsten Winter. Ökologisch gesehen, ist dies Unfug. Nach einer Studie der ETH Zürich belastet ein Kilogramm Spargel, der aus Peru eingeflogen wird, die Atmosphäre mit 12 Kilogramm CO2 und anderen Treibhausgasen. Das ist fast 20 Mal mehr als regional erzeugter Spargel, der mit dem Lkw zum Händler transportiert wird.
Etwas besser ist die Bilanz bei Spargel, der aus Peru mit großen Schiffen importiert wird. Moderne Lagerungsmethoden erlauben solche langen Transporte, obgleich der Spargel Peter Sutor zufolge etwas an Frische einbüßt. Der mit dem Schiff transportierte Spargel schlägt der Schweizer Studie nach mit etwa einem Kilogramm CO2 zu Buche. Dieser Wert ist vergleichbar mit dem von Spargel, der aus südeuropäischen Ländern mit Lkws importiert wird.
Doch der Anbau in südlichen Ländern hat der Untersuchung zufolge ein weiteres Problem: Spargel verbraucht in trockenen Regionen mehr Wasser. Gleichzeitig ist Wasser in den südlichen Ländern ein rareres Gut, hat also dort einen höheren Wert. Setzt man beides in Relation zueinander, ergibt sich für die Wasserbilanz des südeuropäischen Spargels ein deutlich schlechteres Ergebnis als für die Erzeugung in Mitteleuropa.
All diese Daten sprechen für den Kauf von regionalem Spargel. Allerdings gibt es mittlerweile auch in Deutschlands Spargelregionen ökologisch bedenkliche Entwicklungen. Längst hat unter Spargelbauern eine Art Wettrennen eingesetzt. "Der Anfang der Saison erfolgt immer früher, denn für den frühen Spargel können höhere Preise verlangt werden", sagt Bernhard Brückner.
Die Felder werden immer stärker mit Folien abgedeckt, um mehr Wärme einzufangen. Erste Bauern haben bereits Heizrohre im Boden verlegt und wärmen das Gemüse von unten. Genaue Ökobilanzen dazu gibt es noch nicht. Doch Brückner schätzt, dass die Umweltbilanz der beheizten Beete nicht so schlimm ist, wie die von eingeflogenen Spargel. "Allzu groß ist die Wärme, die man den Pflanzen von unten zuführt, nicht", sagt er. Die Bilanz dürfte eher der von LKW-Transporten aus südlichen Ländern entsprechen.
Umweltschützer halten dennoch nichts von der Methode. "Spargel sollte der Jahreszeit entsprechend produziert und gehandelt werden, anstatt die Saison künstlich und mit hohem Energieaufwand vorzuziehen", fordert der BUND. Der Bund für Naturschutz in Bayern hält den Energieaufwand für die Beheizung der Felder für "nicht vertretbar" und spricht von "energiepolitischem Unsinn".
Agrarwissenschaftler Brückner appelliert auch an die Verantwortung der Verbraucher: "Jede Produktion hinterlässt natürlich einen ökologischen Fußabdruck. Wer besonders frühen Spargel kaufen möchte, muss sich darüber im Klaren sein, dass das auch ökologische Auswirkungen hat."
So ist das Fazit beim Spargel klar: Die in jeder Hinsicht beste Ware erhält der Käufer in seiner Region in der von der Natur vorgegebenen Saison.
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