Kopfstöße, Einlagen aus dem Ringen, absichtliche Schläge auf den Hinterkopf: In einem emotionalen Duell lässt Robert Stieglitz seinem Konkurrenten Arthur Abraham keine Chance. Abraham ist früh gehandicapt - und fordert einen neuerlichen Rückkampf.
Am Ende der dritten Runde ging Arthur Abraham zurück in seine Ecke - es war mehr ein Wanken und Taumeln denn ein gezielter Marsch in Richtung Stuhl und Trainer. Fürchterlich sah Abraham aus, sein linkes Auge war zugeschwollen. Doch interessanter war, was in dem offenem, dem rechten Auge zu sehen war. Es war eine Mischung aus Müdigkeit, Verzweiflung und Ratlosigkeit.
Das sah wohl auch der Ringarzt, der offiziell aber nur das verletzte Auge untersuchte. Er entschied: Dieser Kampf um die Weltmeisterschaft im Supermittelgewicht der World Boxing Organization (WBO) war seiner Meinung nach vorbei, weil die Gesundheit von Abraham gefährdet sei. Also brach der Ringrichter das Duell ab und erklärte Robert Stieglitz zum Sieger durch technischen Niederschlag und damit zum Weltmeister.
"Es war ein ganz anderer Kampf als beim ersten Mal", sagte Stieglitz nach dem Duell, "schon das Lied beim Einmarsch war damals scheiße." Bei diesem ersten Kampf war er von Abraham übertölpelt worden, er hatte verdient nach Punkten verloren: "Wir haben den Kampf genau analysiert, haben unsere Lehren daraus gezogen und eine Taktik entwickelt, die erfolgreich sein könnte."
Oberflächlich betrachtet sah diese Taktik so aus: Prügle so lange auf den Gegner ein, bis der sich nicht mehr wehren kann! Im Detail allerdings waren zahlreiche Feinheiten zu entdecken: Stieglitz marschierte nach vorne, er präsentierte schnelle Jabs und streute immer wieder wuchtige linke Haken und rechte Aufwärtshaken ein. Er ließ sich im Gegensatz zum ersten Kampf nicht auf ein Halbdistanz-Duell ein, sondern traf immer wieder aus der vollen Distanz - wenn die beiden zu nah beieinander standen, klammerte Stieglitz clever oder wich sogleich zurück. Er suchte die Entscheidung, während Abraham meist die Uhr suchte, um festzustellen, wann die Runde endlich vorbei sei. "Ich wollte nach vorne und ihn brechen, das ist mir gelungen", sagte Stieglitz nach dem Duell.
Es waren temporeiche, packende und hochemotionale drei Runden, in denen Arthur Abraham die meiste Zeit gar nicht wusste, wie ihm geschah. Er versuchte sich zu wehren, doch Stieglitz wich den Kontern seines Kontrahenten mit flinken Beinen und einem beweglichen Oberkörper immer wieder geschickt aus. Abraham konnte kaum wuchtige Treffer setzen.
Wie emotional dieses Duell war und wie wenig diese beiden Boxer sich leiden können, das wurde am Ende jeder Runde deutlich: Es gab Einlagen aus dem Ringen, Kopfstöße und absichtliche Schläge auf den Hinterkopf - weswegen Abraham einen Punkt abgezogen bekam. Stieglitz' Trainer Dirk Dzemski sprang einmal in den Ring, beschwerte sich lautstark über die vermeintlich unsaubere Kampfführung Abrahams.
Es war nur noch fraglich, ob Stieglitz dieses immense Tempo würde durchhalten und ob er Abraham tatsächlich würde wehtun können. Er konnte. Nach einer wuchtigen rechten Gerade schwoll das Auge von Abraham an - nach weiteren Treffern konnte er auf diesem Auge nichts mehr sehen. Der Kampf war vorbei.
"Der Ringrichter hat den Kampf abgebrochen, es war die richtige Entscheidung. Augenlicht ist eines der wichtigsten Dinge, die ein Mensch haben kann", sagte Abraham nach dem Kampf, versteckt hinter einer Sonnenbrille der Marke "Türsteher auf der Reeperbahn". Er sagte auch, dass er unbedingt einen dritten Kampf haben wolle: "Es steht eins zu eins - nach dem nächsten Kampf werden wir sehen, wer der Bessere ist."
Abraham braucht diesen dritten Kampf, stellt die Niederlage doch einen erheblichen Bruch in seiner Karriere dar, die er gerne noch drei Jahre fortführen würde. Sein Vertrag bei Sauerland läuft noch bis Ende 2015, zuletzt wurde über eine Verlängerung um ein Jahr spekuliert. Rentabel ist das indes sowohl für Sauerland als auch für Abraham nur, wenn er gute Kämpfe bekommt - und den besten, den er nach dieser schlimmen Niederlage bekommen kann, ist ein Entscheidungsduell gegen Stieglitz.
Der kündigte sogleich an, bereits zu sein für dieses dritte Duell - sein Promoter Ulf Steinforth indes wollte sich noch nicht zu seiner endgültigen Aussage hinreißen lassen: "Wir werden nun erst einmal feiern." Das tat Robert Stieglitz dann auch im Hotel. Wobei Stieglitz auch dafür sorgte, dass seine rechte Hand gekühlt wurde. Die war derart oft an Kopf und Körper von Abraham gerauscht, dass sie stark geschwollen war.
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