Wort-Inflation auf allen Kanälen! Vom Meeting über den Stammtisch bis zur Talkshow, von Facebook bis Twitter – gerade vor der Bundestagswahl wird debattiert und geschlaumeiert wie nie. Mit Hilfe von Coaches wollen wir mithalten und trainieren uns Redegewandtheit und Schlagfertigkeit an.
Aber braucht man wirklich auf alles eine Antwort? „Ja“, sagt die Kommunikationstrainerin und Buchautorin Dr. Cornelia Topf („Einfach mal die Klappe halten: Warum Schweigen besser ist als reden“, Gabal-Verlag, 19,90 Euro). „Aber das kann auch Schweigen sein. Eine meist beredte Art der Antwort.“
Auch Holm Friebe erklärt in seinem neuen Buch „Die Stein-Strategie: Von der Kunst nicht zu handeln" (Hanser-Verlag, 14,90 Euro) die machtvolle Wirkung des Schweigens. Nichts zu sagen „kann dröhnen wie ein Donnerhall“, so der Autor.
Aber worin liegt die Kraft der Stille? Lesen Sie gute Gründe, warum Schweigen tatsächlich Gold ist!
►Schweigen wirkt! Wenn etwas nicht funktioniert, neigen wir Menschen dazu, dennoch mehr vom Gleichen zu tun, um endlich die gewünschte Wirkung zu erzielen. „Action bias“, Handlungsneigung, nennen Psychologen das Phänomen. Wir plappern, wenn wir nervös sind oder glauben, in der Bredouille zu stecken. Jede Wirkung geht jedoch im Wortschwall verloren. Plappermäuler nimmt keiner ernst.
Aber wann schweige ich besser? Expertin Topfs Empfehlung klingt naheliegend: „Wenn mir spontan keine wirklich gute Antwort einfällt.“
Wie Schweigen wirkt, können wir bei Kindern beobachten: Großvaters strenger Blick hat mehr Autorität als Muttis oder Papis bemühte Diskussion.
Ob bei Kindererziehung, in der Debatte oder im Verkaufsgespräch: Laut Holm Friebe sollte nach einem guten Schlussargument nichts mehr kommen. Denn wer dann als Erster redet, steht automatisch als Verlierer dar.
Schweigen und Stille haben im Buddhismus einen hohen Stellenwert. Aber Buddha sagte auch: „Wer schweigen will, muss reden können“
►Taten zählen mehr als Worte! Wer Ahnung oder Argumente hat, kann sich präzise und knapp erklären. Redeschwalle sollen oft Inkompetenz und Unsicherheit verschleiern. Wer sich dauernd rechtfertigt und im Job keinen Arbeitsauftrag annehmen kann, ohne 100 Fragen und Einwände zu formulieren, wirkt handlungsunfähig.
►Schweigen macht mächtig! Ist es nicht wahnsinnig schwierig oder sogar unmöglich, als Superstar eine erfüllende Beziehung zu führen?, wurde Madonna einmal in einem MTV-Interview gefragt. Ihre Antwort: „Nein.“ Nichts weiter. Keine Erklärung. Mit knappen Antworten hält Madonna Interviewer, die ehrgeizig an ihr Innerstes wollen, auf Distanz und behält die Oberhand. „Mächtige Menschen beeindrucken, indem sie wenig sagen“, schreibt der britische Autor Robert Greene in seinem Klassiker „Power – die 48 Gesetze der Macht“. Er empfiehlt, vieles nur anzudeuten und immer weniger zu auszusprechen als nötig.
►Schweigen schafft Charisma! Menschen, die nicht viel reden, wird schnell Tiefsinn unterstellt. Expertin Topf: „Schon die Römer wussten: Wenn du geschwiegen hättest, hätte man dich für einen Philosophen gehalten.“ Und schließlich macht Verknappung interessant. Bestens vorgelebt von Supermodel Kate Moss, die fast nie öffentlich spricht und deswegen ein Mythos bleibt.
►Gemeinsam schweigen verbindet! Der Volksmund weiß: Mit guten Freunden lässt sich auch schweigen. Trotzdem empfinden wir Gesprächspausen oft als Bedrohung. Laut Topf lässt es sich jedoch lernen, Schweigen auszuhalten und anders zu bewerten: „Sagen Sie sich Dinge wie: Endlich mal Schluss mit dem Gequassel oder Wir verstehen uns auch wortlos. Oder schließen Sie die Augen, das wirkt entspannt.“
►Schweigen schützt vor Streit! Sie kennen das? Beim Streit verheddern wir uns in einem Schwall aus Argumenten und Gefühlsäußerungen. Am Ende haben wir Dinge gesagt, die uns leidtun und es gibt nur Verlierer. Topf: „Stille wirkt generell als Unterbrecher. Sie verhindert Eskalation. Wer nichts sagt, kann auch nichts Falsches sagen. Außerdem ist Stille ansteckend und beruhigend. Und wer sich beruhigt hat, ist besonnener, beziehungsachtsamer und lösungsorientierter.“
Holm Friebe schreibt: „In emotionalen Extremsituationen neigt man zu hitzigen Überreaktionen und ein Wort gibt dann das andere. Diese Spirale der Eskalation zu durchbrechen und etwas Zeit ins Land ziehen zu lassen, ist das Beste, was man tun kann.“
►Schweigen ist souverän! Wenn wir auf jeden Angriff reagieren, geben wir ihm erst Raum. Oft besser: eine Beleidigung überhören und damit nicht akzeptieren. Motto: Was kümmert's den Mond, wenn ein Hofhund ihn anbellt. Denn sobald Sie sich verteidigen, sind Sie in der Defensive. Topf: „Wer sich verteidigt, klagt sich an und zeigt, dass er angreifbar ist. Wer stark ist, entscheidet selbst, was er als Angriff empfindet.“ Im Zweifelsfall besser als ein Wortschwall: einen Vorwurf knapp, entschieden und sachlich zurückweisen.
►Schweigen ist höflich! Es zeugt von Respekt, wenn wir dem anderen Raum schenken, ohne ihn zu unterbrechen. Dauerredner gelten als ordinär, rechthaberisch und aufdringlich. Schweigen und zuhören – die beste Art, Infos einzuholen. Topf: „Wer spricht, erfährt nichts.“
►Schweigen ist taktisch! Durchs Klappe halten oder wenige, vage Worte vermeiden wir, in Fallen zu tappen, etwa uns vorschnell zu entscheiden oder etwas Falsches zu versprechen und dann auf unsere Worte festgenagelt zu werden. Taktik von Politikern wie Barack Obama oder Angela Merkel. Topf: „Man hört es auch in jedem Krimi: Ohne meinen Anwalt sage ich nichts!“
►Kunstpausen sind rhetorisch klug! „Ungeschulte, unerfahrene und unüberlegt Sprechende machen generell zu wenige Pausen – sie reden ohne Punkt und Komma“, erklärt Kommunikationsexpertin Topf. „Die meisten Menschen machen nicht einmal am Satzende eine Pause – man kann ihre Sätze gar nicht verdauen, also nicht wirklich verstehen. Für Anfänger ist die Pause am Satzende schon anspruchsvoll. Fortgeschrittene pausieren wirkungsvoll auch und gerade – (Pause) – vor den wichtigen Wörtern oder Satzteilen, die sie dann entsprechend auch betonen. Das setzt voraus, dass man weiß, welche Wörter und Satzteile von dem, was man sagt, wichtig sind.“
►Stille tut gut! In der Stille schöpfen wir Kraft und Kreativität, es bringt uns zur Besinnung. Nicht umsonst spielt Stille in fast allen Religionen eine Rolle, ob im christlichen Schweigekloster oder in der fernöstlichen Mediation. Fast jedem gefällt es, in einsamer Natur zu sein. Warum nur sind wir dort so selten?
Fazit: Reden und Schweigen ergänzen sich in Wechselwirkung und sollten in ausgewogener Balance verwendet werden. Wer es in den Augen der Expertin richtig macht? „Barack Obama wählt seine Worte mit Bedacht, setzt viele Pausen und betont (meist) deutlich und akzentuiert“, sagt Topf. „Horst Seehofer liefert ebenfalls schöne Betonungen und sehr natürliche Pausen.“
Für heute genug geredet.
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