Zum zehnjährigen Jubiläum von "Frauentausch" macht RTL II den "Promitausch". Mit Dessous-Model Micaela Schäfer und Schäfer Heinrich und Ex-Boxer René Weller und - egal. Im Schlamm des Privatfernsehens bleibt dem Zuschauer nur melancholische Ratlosigkeit.
Es ist ja nicht so, dass manche Sender in immer neue Untiefen der Dummheit vordringen würden. Das ist technisch nicht möglich, der Grund lange erreicht. Eigentlich geht es nur noch darum, den Schlamm mit den Faulgasen dort unten von Zeit zu Zeit aufzuwühlen, damit ein paar stinkende Blasen an die Oberfläche steigen und dort zerplatzen. "Frauentausch" beispielsweise ist bewährter Sozialsnuff in Serie, der zum zehnjährigen Jubiläum - blubber! - als "Promitausch" in Edelgas verwandelt wurde. Pure Alchemie!
Es tauscht also diesmal nicht die verlebte Kettenraucherin mit der hysterischen Schnapsdrossel die Rollen, sondern der verkrachte Künstler (Mathieu Carrière) mit dem gestrandeten Boxer (René Weller). Oder wer einem da sonst noch einfallen mag. Beispielsweise Micaela Schäfer mit Schäfer Heinrich. Schäfer und Schäfer? Na? Macht's klick? Schäfer. Und Schäfer! Genial. Wenn man jemals gerne einer RTL-II-Kreativsitzung beigewohnt hätte, dann dieser. Gleich am Anfang werden die verschiedenen Welten von Schäfer und Schäfer dem Zuschauer umständlichst aufgeschlossen, damit sie - viel, viel später in der Sendung - miteinander kollidieren können.
In Ostwestfalen der Hof von Schäfer Heinrich, ein paar Kühe, sehr viele Schafe, kichernde Nachbarn und ein bukolisches Ambiente wie aus "Bauer sucht Frau". Da sitzt er dann über der Lokalzeitung, trinkt Zitronenlimonade aus einem BVB-Glas und wartet darauf, dass die Nachbarin kommt. Die kommt, spielt mit und fragt: "Haddu Hunger?" Weil der Heinrich wie ein großer kleiner Junge ist. Die Kuppelshow "Bauer sucht Frau" hat Schäfer Heinrich in entsprechenden Kreisen eine gewisse Prominenz verschafft, die er bei aller bauernschlauer Schauspielkunst doch gewissenhaft zu bearbeiten scheint: "Das ist mein Büro, da verbringe ich auch einen Teil meiner Zeit drin, mit meinen Auftritten und so." Schäfer Heinrich hat einen Schäfer eingestellt, der für ihn die Schafe hütet. Muss ja, weil er nebenbei vor festlicher Gesellschaft mit dem stampfenden "Schäferlied" für "Stimmung" sorgt.
Im Flur viele Schuhe, der Kühlschrank leer
In Berlin die Altbauwohnung von Micaela Schäfer, die durch "Germany's Next Topmodel" eine gewisse Bekanntheit erlangt hat, die sie im "Penthouse", im Dschungelcamp und auf Erotik-Messen als Dessous-Model zu Markte trägt. Ein Dessous-Model ist irgendwie mehr als ein gewöhnliches Model, weil es da auf den Körper ankommt. "Ich wünschte, ich hätte mich nicht operieren lassen müssen", sagt Fräulein Schäfer bedauernd, als wäre ihr eine Zyste entfernt worden: "Aber ich habe es nicht bereut." Im Flur viele Schuhe, der Kühlschrank leer, dafür die Regale voll mit Diätpulver. Sie fühlt sich in Dessous "gar nicht unangemessen angezogen, komischerweise". Ihr Leben wird von einer "Miss Ostdeutschland", ihrem Manager und der Oma Christel wohlwollend begleitet. Muss ja, weil sie nebenbei in der Dorfdisco vor betrunkendem Jungvolk für "Stimmung" sorgt.
Über dieser liebevollen Exposition gehen geschlagene und erschlagende 30 Minuten ins Land, bevor dann endlich der Bauer nach Berlin und das Model nach Ostwestfalen reist. Dort muss Micaela in ihrer Rolle als "textilallergische" (Eigenwerbung) Nudistin aus Leidenschaft nun in die Rolle von Schäfer Heinrich schlüpfen, die - und hier stößt das "Promi"-Ding an seine Grenzen - auch nur eine Rolle fürs Fernsehen ist. Während der Mann vom Land für ein erotisches Fotoshooting "blank ziehen" und an einer Stange den Beischlaf simulieren muss. Um die Spannung herauszunehmen: Beide machen ihre Sache ausgezeichnet.
Das Dessous-Model scheitert an der Theodizee
Im Stall schnappt sich Frau Schäfer eine der dort dekorativ herumlungernden Katzen, die aber nicht mitspielen will, und tut, was Katzen dann eben tun: "Aua!", ruft Micaela und lässt das Tier fallen: "Darf nix an meinen Köper kommen hier, ich muss doch noch als Model arbeiten!". Im Schlafzimmer dann befingert sie ein Kruzifix und scheitert in Schönheit an der Theodizee: "Das ist Jesus, denke ich, weiß ich aber nicht genau, wofür der steht oder hängt, also was der für eine Bedeutung hat, keine Ahnung."
Im Stall will sie von Aushilfsschäfer Jürgen wissen, ob Kühe auch einen Orgasmus bekommen können und äußert sich anerkennend über deren Euter. Ja, Euter. Auf der Wiese schließlich ein Satz wie aus dem Softporno: "Also, jetzt ist mir wirklich so heiß geworden durch das ganze Geschleppe. Ich werde jetzt einfach mal meine Jacke ausziehen", spricht's und schlüpft aus dem Mantel, um in hautenger Reizwäsche befreit und erfrischt über die Koppel zu tollen. Alles unter den Augen des Aushilfsschäfers, der sein Glück drehbuchgemäß nicht fassen kann. Kurzum: Micaela Schäfer weiß um die Treue, die sie ihrer Rolle schuldig ist.
Desgleichen Schäfer Heinrich, der in Berlin beim ratlosen Sortieren der Grabbelkiste mit den Dessous glaubhaft versichert, nicht zu wissen, wo ihm der Kopf steht: "Holla, die Waldfee!" Auch beim Fototermin lässt er sich wie der Ochse am Nasenring als notgeiler Landtrampel vorführen: "Es ist ganz angenehm, wenn so 'ne schöne junge Frau im Gesicht rumpinselt, trägt das Make-up auf, dann hat sie noch die Lippen feucht gemacht und so, da kam so 'n richtiges Kitzeln auf."
Ein richtiges Kitzeln will sich beim Zuschauer indes partout nicht einstellen, nur eine melancholische Ratlosigkeit. Naja. Wer seinen kompletten Sonntagabend von 20.15 Uhr bis kurz vor Mitternacht - mit erfrischenden Werbeunterbrechungen! - gerne in dem betäubenden Gefühl verbringt, tief unten im Schlamm zu sitzen und Reizwäsche zu sortieren, der wird dafür schon einen Grund haben.
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