Mittwoch, 24. April 2013

+++JAN LACHNER IST DER EUROPÄER 2.0, oder wie der Ingenieur in 33 europäischen Ländern 33 Berufe ausübte+++










In 33 europäischen Ländern in 33 Jobs arbeiten, das hat sich Jan Lachner vorgenommen. Seit 2011 ist der Ingenieur unterwegs. Ob Alphörner bauen in der Schweiz oder Guiness zapfen in Irland, der 25-Jährige hat erfahren: Es geht fast alles, wenn man nur lange genug fragt.

  Jan Lachner nimmt den blau-weißen Putzlappen in die Hand, dann lässt er sich in das grün glitzernde Meerwasser gleiten. Ein vier Meter langer Zebrahai schwimmt vorbei, dann wird eine Meeresschildkröte neugierig. Der Taucher achtet nicht auf die Tiere, er hat etwas anderes zu tun: Konzentriert putzt er mit dem Lappen die meterhohen Scheiben des Aquariums.

"Taucher im Haifischbecken, das klang schön crazy", sagt Lachner grinsend, als er wieder aufgetaucht ist und sich aus dem Neoprenanzug geschält hat. "In England wollte ich was Verrücktes machen."
Der 25-jährige Luft- und Raumfahrtingenieur ist auf einer persönlichen Mission: 33 verschiedene Jobs in 33 europäischen Ländern will er absolvieren, jeweils eine Woche lang. Er hat es fast geschafft: Die Arbeit im Sealife-Aquarium des englischen Seebads Great Yarmouth ist Nummer 31. Es fehlen nur noch Portugal und Italien.

Reisen allein ist langweilig

Die Idee für die etwas andere Europa-Reise hatte Lachner vor zwei Jahren. Er hatte sein Studium in Toulouse abgeschlossen, ein Jahr als Praktikant bei Rolls Royce in Bristol verbracht und arbeitete nun auf seiner ersten Stelle bei einer Firma bei Paris. Doch den Berufseinsteiger plagten Zweifel. "Ich wollte etwas anderes machen", sagt er. Mehr Abwechslung, die Welt erleben. Nur Reisen fand er aber zu langweilig, für einen Einsatz als Entwicklungshelfer war er nicht qualifiziert.

So wurde der ehrgeizige Plan geboren, einmal in jedem der 27 Länder der EU zu arbeiten. Dazu nahm er noch die sechs Nicht-EU-Staaten Kroatien, Monaco, Liechtenstein, Schweiz, Norwegen und Island.
Google-Suche nach "crazy jobs"

Als er seine Reise im November 2011 begann, hatte er erst sieben Jobs festgemacht. Den Rest würde er sich unterwegs organisieren müssen. Als Erstes fuhr er auf einem Fischerboot auf Malta mit. "Fünf Tage auf See, sechs Ägypter an Bord, und keiner sprach Englisch", sagt er. Bis heute rangiert diese Erfahrung in seiner persönlichen Rangliste in den Top 3. In Dublin lernte er in einem Pub, wie man ein Guinness zapft. In Litauen sortierte er Bernsteine, in der Schweiz baute er Alphörner, in Deutschland (Land Nummer 27) arbeitete er als Altenpfleger.

"Ich habe möglichst immer einen für das Land typischen Beruf gesucht", sagt er. In England klappte das nicht. Keine Bank in der Londoner City rief ihn zurück, auch als Fensterputzer für die Hochhäuser wollte ihn keiner haben. Am Ende googelte er einfach nach "crazy jobs", stieß auf den Vorschlag "Haifischbeckentaucher" und rief so lange Aquarien in England an, bis er ein Praktikum gefunden hatte.

"Man muss sehr hartnäckig sein und die Leute überzeugen, dass man mal eine Woche vorbeikommen darf", sagt Lachner. Auch Sponsoren hat er sich gesucht, damit er die Reisekosten nicht ganz allein tragen muss. Das Projekt sei eine ziemliche organisatorische Leistung, findet er. Deshalb glaubt er auch, dass sich die Erfahrung auf seinem Lebenslauf gut machen wird. Für Italien, das letzte Land auf seiner Liste, hat er immer noch nichts gefunden. Er hofft auf einen Platz in einer Gerberei - "und wenn ich jedes einzelne der 200 Unternehmen anrufen muss".

Tagsüber Praktikant, abends Couchsurfer

Eine Woche in einem Betrieb, das nennt man Schnupperpraktikum. Doch wehrt sich Lachner gegen den Eindruck, dass er nur zuschaue. "Es ist häufig wirklich Arbeit", sagt er. Manchen Arbeitgeber hat er in der kurzen Zeit so beeindruckt, dass dieser ihm eine Stelle anbot. Beim Luxemburger Immobilienmakler punktete er damit, dass er fließend Deutsch, Englisch und Französisch spricht. Der slowakische Batteriehersteller wollte ihn als Business-Development-Manager einstellen.

Bezahlt wurden die Praktika in der Regel nicht, darum suchte er sich immer eine Gratis-Schlafgelegenheit als Couchsurfer. Vielleicht zehn Nächte insgesamt sei er in den anderthalb Jahren im Hotel gewesen, sagt er. Wenn zwischen zwei Jobs eine mehrwöchige Pause lag, kehrte er nach Paris zurück - zu seiner Freundin in die gemeinsame Wohnung.
Über seine Erfahrungen hat der Marathon-Jobber ein Blog geführt. An den meisten Orten wurde er auch interviewt, für die jeweilige Lokalzeitung war der junge Deutschfranzose stets eine Attraktion. In Great Yarmouth filmt ihn eine Crew des lokalen Online-Fernsehsenders Mustard TV beim Tauchgang.

Im EU-skeptischen Großbritannien weist Lachner besonders gern darauf hin, dass er dieses Projekt ohne die europaweite Arbeitserlaubnis nicht hätte durchziehen können. "Ich bin ein Europäer 2.0", sagt er. "Ich springe über Grenzen, so wie ich die Straße überquere."



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