Samstag, 16. März 2013

+++VIOLINE DES TITANIC-KAPELLMEISTERS, oder das Instrument, das bis zum Untergang spielte+++




Es wäre eines der wichtigsten Fundstücke der gesunkenen Titanic: In Großbritannien ist offenbar die Violine von Wallace Hartley aufgetaucht - er spielte mit seiner Kapelle an Deck des Schiffes, bis es unterging.

Sie waren die Helden an Bord des Schiffes, das als unsinkbar galt. Als die Titanic unterging, standen die acht Musiker der Bordkapelle inmitten der Rettungsaktion an Deck und spielten und spielten. Welche Lieder es waren, darüber streiten Historiker bis heute. Passagiere, die überlebten, wollen "Näher, mein Gott, zu Dir…" gehört haben, oder auch "Autumn".

Das Schiff ging unter, die Kappelle mit ihm, keines der Mitglieder konnte gerettet werden. Die Angehörigen der Musiker erhielten keine Entschädigung, weder die Reederei noch die Künstleragentur wollte für den Tod der Männer aufkommen. Geborgen werden konnten schließlich nur die Leichen von drei Musikern. Den Körper von Wallace Hartley, dem Chef des kleinen Orchesters, fand man rund zehn Tage nach dem Untergang. Er trug eine Schwimmweste und war an Unterkühlung gestorben. Seine Leiche wurde nach Großbritannien überführt, und nicht nur sie. Bei Hartley fand man möglicherweise seine Violine, verschlossen in einem ledernen Geigenkasten. Zwei Wochen nach dem Untergang erschien ein Zeitungsbericht, der behauptete, Hartley habe, als man ihn fand, einen Instrumentenkasten um die Brust geschnürt getragen.
Jetzt ist die Violine offenbar wieder aufgetaucht. Nach einer sieben Jahre langen Untersuchung sei die Echtheit des Instruments nun bewiesen, erklärte das Auktionshaus "Henry Aldridge and Son" am Freitag. Die Geige gehörte demnach Wallace Hartley.

Nach dem Untergang wurde das Instrument Hartleys Freundin übergeben. Maria Robinson hatte ihm die Geige zur Verlobung geschenkt. "Für Wallace von Maria zur Verlobung", stand eingraviert auf einer kleinen, silbernen Plakette. Nach Robinsons Tod wurde die Violine 1939 der Heilsarmee gespendet. In den vierziger Jahren attestierte ein Musiklehrer, die Violine sei praktisch unbespielbar. Das Instrument wurde weitergereicht an eine Familie, sie bewahrte das geschichtsträchtige Stück auf dem Dachboden auf, über Jahrzehnte.

Vor mehr als sieben Jahren wandte sich der Sohn der Familie, ein Universitätsdozent, an das britische Auktionshaus "Henry Aldridge and Son", das zahlreiche Fundstücke der Titanic unter den Hammer bringt. Ruft man dort an und fragt nach dem Instrument, ist die Freude groß, "ein ganz phantastisches Fundstück" sei das. Auktionator Andrew Aldrige hat in den vergangenen Jahren Hunderte Arbeitsstunden in die Geige investiert. Ihre Geschichte ist auch seine Geschichte. Und sie ist fast zu gut, um wahr zu sein.

Er erzählt sie, Episode für Episode, Detail für Detail, auswendig. 101 Jahre in gut einer halben Stunde. Er berichtet von Aufzeichnungen, die nach dem Untergang gemacht wurden, von Details, die man zu den einzelnen Leichen verzeichnete. Davon, dass die Violine in den Schriftstücken nicht auftaucht - wie auch Details zu anderen Toten und deren Habseligkeiten, die man später fand. Er berichtet von Tagebuchaufzeichnungen der Verlobten des Musikers, von ihrem Dankesschreiben an Mitarbeiter der Verwaltung: Sie hatten Maria Robinson die Violine zukommen lassen. Von der Familie, die das Instrument später besaß, aber nicht genug Geld hatte, es reparieren zu lassen. Von Korrosionstests, Primärquellen, Untersuchungen durch Kriminaltechniker und Forscher der Universität Oxford. Und er spricht von dem Mythos, der das Instrument seit Jahrzehnten umgibt.

"Das Schiff ist das Grab vieler Menschen geworden"

Und am Ende kommt Aldridge, ein freundlicher Mann mit ausgeprägtem britischen Akzent zu dem Schluss: "Wir haben den Advocatus Diaboli gespielt, alles getestet, was dagegen sprechen könnte, dass die Geige echt ist, jede erdenkliche Untersuchung durchgeführt - aber sie ist es."

Ein Amateur-Forscher sagte der BBC im vergangenen Jahr vor dem Abschluss der Untersuchungen, er halte die Geschichte für wenig glaubwürdig: Laut den Listen habe Wallace, als man ihn fand, einen Stift, 16 Schillinge, eine silberne Streichholzschachtel, eine goldene Zigarettenschachtel und einige Briefe bei sich getragen. Von einer Geige keine Rede.

Die Geige soll nicht versteigert, sondern ausgestellt werden. Zunächst in Belfast, dann an weiteren Orten. "Ich halte sie für eines der wertvollsten Fundstücke der Titanic", sagt Aldridge. "Wertvoller gar als das Wrack auf dem Meeresgrund. Denn das Schiff ist zugleich das Grab vieler Menschen geworden. Und diese Geige stammt nicht aus einem Grab."
Die Kosten der Untersuchungen werden beglichen durch die Versteigerung der anderen Memorabilia, die sich bei der Geige fanden. Ihren Wert schätzt Aldridge auf mehr als 100.000 Euro. Die Ausgaben der vergangenen sieben Jahre könne das aber bei weitem nicht decken. Zumal seine eigene Arbeitszeit gar nicht eingerechnet sei.

Seit wenigen Wochen weiß Aldrige nun von dem Ergebnis. "Ich habe mich gefreut", sagt er. Viel wichtiger aber seien ihm und dem Besitzer der Geige, dass möglichst viele Menschen künftig einen Zugang zu ihr bekommen. Kaufinteressenten haben sich auch schon gemeldet. Sie sind bereit, mehrere hunderttausend Euro für das Instrument zu bezahlen, das einst ein Verlobungsgeschenk war und nun ein Stück Geschichte ist. Aber davon will Aldridge, so sagt er, erst einmal nichts wissen.


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