Sonntag, 17. März 2013

+++"UNSERE MÜTTER, UNSERE VÄTER", oder vom Träumen und Töten+++








Der ZDF-Dreiteiler "Unsere Mütter, unsere Väter" ist ein Fernsehereignis. Er zeigt junge Menschen im Zweiten Weltkrieg. Er ist wahrhaftig, ergreifend und mitfühlend - aber spricht niemanden frei. 

Es werden keine Großschauspielerinnen aufgeboten, die sich in Heino-Ferch-Typen verknallen; es gibt keine Schnulze inmitten von Gefahr und Rauch. Sondern echtes Leben. Fünf junge Leute ziehen in den Zweiten Weltkrieg, leiden und töten. Sie werden verfolgt. Sie lassen sich mit dem System ein, aus jugendlichem Überschwang und aus kalkulierter Geltungssucht. Es sind ganz normale Menschen. Fünf Freunde. Unfassbar jung sind sie, als im Jahr 1941 mit dem Angriff auf die Sowjetunion der Krieg eskaliert. Um Abschied zu feiern, treffen sie sich in einer Kneipe. Dann trennen sich ihre Wege. Als die Überlebenden vier Jahre später wieder zusammenkommen, ist keiner von ihnen mehr jung. Getanzt und gelacht, wie in der Sommernacht 1941, wird nicht mehr.

Der Film von Drehbuchautor Stefan Kolditz und Regisseur Philipp Kadelbach zeigt Wahnsinn und Gewalt. Spannend ist er obendrein. Zurück bleibt das Gefühl, dass es in einem echten Krieg mit echten Menschen schwerer ist, gut und böse zu unterscheiden als bei Karl May. Und die eigentlich banale Erkenntnis, dass viele der Handelnden in diesem Krieg jung und unfertig waren. Wie alle jungen Menschen haben sie geschwärmt und geschwankt. Sie wollten es der Welt zeigen, aber waren sich der Richtung nicht so sicher. 1941 war das sehr gefährlich und konnte in Tod, Verhängnis und unfassbare Schuld führen.

Der Horror des Krieges ist allgegenwärtig

Friedhelm etwa, einer der fünf Freunde, zieht bepackt mit seinen Büchern an die Front. Er will erst nicht kämpfen. Wenig später ist er es, der anregt, eine Gruppe Zivilisten durch einen verminten Sumpf zu jagen, um so den Marschweg für die eigenen Leute freizubekommen. Bald darauf fliegen Männer, Frauen und Kinder in die Luft.

Vor dieser Szene zeigt Kameramann David Sláma in Großaufnahme das Gesicht von Tom Schilling, der grandios den Friedhelm spielt. Die Augen sind weit, der Horror allgegenwärtig. Als er die Zivilisten in den Tod treibt, stirbt auch in ihm etwas. Sláma, der auf die 70 zugeht, kommt aus Tschechien, ein Antifaschist wie sein Vater, der von den Nazis verfolgt wurde. Als der Film fertig war, schrieb er eine E-Mail an die Kollegen: Er habe mitgelitten mit den jungen Protagonisten - und das, obwohl deren Schuld in keiner Weise relativiert worden sei. Darum ging es den Machern.

Alles ist nah an der Lebenswirklichkeit der Kriegsjahre erzählt. Gewollt wirkt die Dramaturgie nur, wenn die Protagonisten sich wider alle Wahrscheinlichkeit irgendwo in Russland treffen. Egal. Im Betrachter kommen andere Fragen hoch: Kann das sein? War das die normale Erfahrung eines Soldaten im Osten? Einer Krankenschwester im Lazarett? Eines Juden im polnischen Untergrund?

Es war ein Projekt, knapp 14 Millionen Euro teuer, das mehr als einmal vor dem Aus stand. Und das am Ende davon profitierte, dass es bis zur Fertigstellung endlos lange gedauert hat. Vor fünf Jahren hätte ein solcher Film die Instanzen des ZDF niemals durchlaufen - manche wundern sich, dass es jetzt geklappt hat. Der Sender für das reifere Publikum hat gerade erst mit "Hotel Adlon" Traumquoten eingefahren. Das ist noch immer die härteste Währung im Fernsehgeschäft. Hoffentlich war es ein Missverständnis der TV-Industrie, dass es ein Melodram braucht, um aus dem Zweiten Weltkrieg einen Quotenerfolg zu machen.

Wer den Produzenten Nico Hofmann dieser Tage trifft, sieht ihn hochnervös. Er hat über Jahre mit seiner Firma Teamworx das Bedürfnis nach historischen Fernsehfilmen bedient. Er hat alte Haudegen wie den Feldmarschall Erwin Rommel zum Leben erweckt, Maria Furtwängler auf eine dramatische Flucht aus Ostpreußen geschickt, Dresden untergehen lassen. Jetzt sagt Hofmann: "Wenn der Film sich nicht bei den Zuschauern durchsetzt, sind solche Produktionen in dieser radikalen Qualität erst mal nicht mehr möglich." Wenn es aber klappe, sei bewiesen, dass auch bei uns so hart erzählt werden kann, wie es die gefeierten Serien aus dem Ausland tun.

"Unsere Mütter, unsere Väter" läuft am 17., 18. und 20. März jeweils um 20.15 Uhr im ZDF

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