Dienstag, 5. März 2013

+++PRIVATES WASSER, oder das undurchsichtige Geschäft+++


Die EU will die Trinkwasserversorgung liberalisieren, die Sorge vor gierigen Privatunternehmen ist groß. Doch auch öffentliche Versorger fallen durch hohe Preise und zweifelhafte Geschäfte auf. Der ganzen Branche mangelt es an Transparenz, denn Monopolisten sind kommunale Unternehmen ebenfalls.

Unter den Linden, Ecke Friedrichstraße: Zentraler als Veolia Wasser kann ein Unternehmen in Berlin kaum residieren. Dennoch stehen die Mitarbeiter des französischen Konzerns derzeit im Abseits, die wichtigste Entscheidung für ihre Branche fällt in Brüssel. Mit einer neuen Richtlinie will die EU die Privatisierung der Wasserversorgung erleichtern. Unternehmen wie Veolia wären die Profiteure.

"Wir können den Betrieb effizienter und damit kostengünstiger organisieren", sagt Veolia-Geschäftsführer Reinhold Hüls. Das aber bezweifeln viele: Wasser könnte unerschwinglich werden, fürchtet die Bürgerinitiative Right2Water, die bereits mehr als eine Million Unterschriften gegen die Richtlinie sammelte. Mittlerweile hat Binnenmarktkommissar Michel Barnier auf den Protest reagiert und Zugeständnisse für öffentliche Versorger versprochen.
Paris und viele andere französische Städte nahmen ihre Versorgung wieder in eigene Hände, nachdem die Preise unter Beteiligung von Unternehmen wie Veolia stark gestiegen waren. Auch Berlin will den Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe (BWB) an Veolia und RWE  rückgängig machen. Nach dem Einstieg der Privaten gingen die Preise um rund ein Drittel in die Höhe. Das Bundeskartellamt verdonnerte BWB, sie über mehrere Jahre um je 17 Prozent abzusenken. Die Gesellschafter hätten sich eine selbst "für privatwirtschaftliche Maßstäbe sehr hohe Gewinn- und Ausschüttungsquote" genehmigt.

Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) unterstützt die Richtlinie, in den Verhandlungen mit Brüssel überging er die Union. Doch vor allem die CSU fordert immer lauter, die Liberalisierung zu verhindern. Gewinner wären kommunale Unternehmen, deren Bundesverband VKU rund einen Kilometer Luftlinie von Veolia entfernt sein Hauptquartier hat. "In Deutschland hat Trinkwasser die höchste Qualität und Versorgungssicherheit", sagt Hauptgeschäftsführer Hans-Joachim Reck. Durchschnittskosten von 84 Euro im Jahr hielten "wir und die deutliche Mehrheit der Bürger für angemessen".

Viel Lob für deutsche Wasserqualität

An der hohen Qualität deutschen Wassers gibt es kaum Zweifel. "Während Versorger im Rest der Welt nie genug investieren, um die nächste ökologische Herausforderung zu meistern, haben deutsche Versorger stets ein hohes Investitionsniveau gehalten", lobte das Fachblatt "Global Water Intelligence".

Doch ist deutsches Wasser allein deshalb teurer als in den meisten anderen Ländern der Welt? Überprüfen lässt sich das kaum, der gesamten Branche mangelt es an Transparenz. Im Gegensatz zum Strom- oder Gasmarkt ist die Trinkwasserversorgung immer ein Monopol - auch wenn sie von öffentlichen Unternehmen betrieben wird. Vieles deutet darauf hin, dass auch die ihre Position missbrauchen:

Sie wurden wiederholt für überhöhte Preise abgemahnt. So waren die Preise des mehrheitlich kommunalen Versorgers Enwag im hessischen Wetzlar laut Bundesgerichtshof um 29 Prozent zu hoch. Beim Unternehmen Energie Calw forderte das Landeskartellamt gar eine Absenkung um 35 Prozent.
Sie entziehen sich der Kontrolle: Bei Druck durch Kartellämter wechseln Kommunalversorger oft von einer privatrechtlichen in eine öffentlich-rechtliche Form. Damit sind nicht länger die Kartellbehörden zuständig, sondern die sogenannte Kommunalaufsicht. Diese werde "in der Praxis äußerst großzügig gehandhabt", sagt Otmar Lell vom Bundesverband der Verbraucherzentralen.
Auch öffentliche Versorger pflegen zum Teil einen zweifelhaften Umgang mit ihren Einnahmen. Die BWB gingen vor der Teilprivatisierung auf riskanten Expansionskurs, der zu dreistelligen Millionenverlusten führte. Die Bochumer Stadtwerke zahlten für einen Auftritt von Peer Steinbrück 25.000 Euro. Die Allianz der öffentlichen Wasserwirtschaft (AöW) lud Ex-US-Vizepräsident Al Gore ein - der dann Journalisten von seinem Auftritt ausschließen ließ.
Auch Kommunalversorger betreiben Lobbyarbeit. Der oft zitierte Anti-Privatisierungsfilm "Water Makes Money" wurde unter anderem von den Stadtwerken München, Marburg und Bad Schwalbach finanziell gefördert. Derzeit liegt ein Gesetz im Vermittlungsausschuss, mit dem die Länder Kontrollen durch die Kartellämter dauerhaft verhindern wollen. Ins Gesetz soll der Satz aufgenommen werden: "In Bezug auf öffentlich-rechtliche Gebühren und Beiträge findet eine kartellrechtliche Missbrauchskontrolle nicht statt."

Bei der Kritik am Kartellamt herrscht erstaunliche Einigkeit zwischen Privaten und Öffentlichen. Laut Veolia-Geschäftsführer Hüls berücksichtigen die Wettbewerbshüter bei der Preisermittlung etwa nicht, dass der Verbrauch in Ostdeutschland aufgrund modernisierter Netze deutlich geringer ist. VKU-Geschäftsführer Reck sagt: "Ich glaube nicht, dass die Kartellbehörde der beste Verbraucherschützer ist."
Otmar Lell vom Bundesverband der Verbraucherzentralen aber lobt das Kartellamt. Die Vergleichskriterien seien "etwas eindimensional", aber ein Schritt in die richtige Richtung. "Denn bislang gab es überhaupt keine wirksame Aufsicht."

Die EU-Verbraucherschützer lehnen zwar die Privatisierungspläne ab, fordern aber mehr Transparenz. Öffentliche wie private Versorger sollten laut Lell eine "Kundenbilanz" mit ihren wichtigsten Leistungsmerkmalen offenlegen und so Vergleiche ermöglichen. In den Niederlanden gibt es eine solche Verpflichtung seit langem. "Das hat zu einer erheblichen Absenkung der Preise geführt."


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