Julia Pierson ist die erste Frau an der Spitze des Secret Service, jener Behörde, die für die Sicherheit des US-Präsidenten verantwortlich ist. Ihre Aufgabe wird es sein, den ramponierten Ruf der Personenschützer wiederherzustellen und das Image des Präsidenten als "Boys-Club"-Chef zu widerlegen.
Die Arbeit des Secret Service soll in der Öffentlichkeit möglichst wenig wahrgenommen werden. Wenn die Beamten US-Politiker begleiten, halten sie sich diskret im Hintergrund, während sie die Umgebung auf mögliche Gefahren wie Attentäter hin im Auge behalten. Zugleich präsentieren sie sich in ihren Anzügen und Sonnenbrillen als eine subtile Drohung gegen jeden denkbaren Gegner: Wir sind auf alles vorbereitet.
Sucht man im Internet nach Julia Pierson, so spiegelt sich dieser Eindruck in ihrer Person wieder: Im Netz scheint es nur ein einziges Foto von ihr zu geben. Es zeigt eine Frau mittleren Alters, schulterlanges, dunkles Haar, die Lippen aufeinander gepresst, das Lächeln nur angedeutet, hinter ihr Stars and Stripes der US-Flagge. Wollte ein Filmregisseur die Position einer hochrangigen Agentin bei der CIA, beim FBI oder der Homeland Security besetzen, Pierson würde wohl alle Klischees visuell perfekt erfüllen: Streng, konsequent, vertrauenswüdig, verlässlich und loyal wirkt sie.
Und das muss sie wohl auch in der Realität sein - sonst hätte US-Präsident Barack Obama die 53-Jährige kaum als erste Frau zur Chefin des Secret Service gemacht.
Obamas Entscheidung für Pierson dürfte allerdings weitere Gründe haben - und dass sie eine Frau ist, gehört vermutlich dazu. Die Behörde ist zuletzt in die Schlagzeilen gekommen, in denen manche Hinweise auf eine zu große männliche Dominanz lesen. Im vergangenen Jahr hat ein Sex-Skandal die Sicherheitsbehörde erschüttert. 13 Agenten sollen sich vor einem Gipfel mit Präsident Obama in Kolumbien betrunken und mit Prostituierten eingelassen haben. Ein Einzelfall, hieß es damals. Wenig später wurde allerdings ein erneuter Zwischenfall bekannt. Diesmal hatten sich Personenschützer angeblich mit Prostituierten in San Salvador vergnügt. Dass der Secret Service nun von einer Frau geführt wird, könnte da eine gewisse Signalwirkung haben.
Und eine Frau als Boss der Behörde dürfte noch eine weitere Funktion erfüllen: Mit ihrer Ernennung will Obama möglicherweise sein eigenes Image aufpolieren. Er war zu Beginn seiner zweiten Amtszeit für seine Personalpolitik kritisiert worden. Einen "Boys Club" nannte etwa CNN das Obama-Kabinett.
Nachdem Außenministerin Hillary Clinton und Arbeitsministerin Hilda Solis ihre Posten aufgegeben hatten, verblieben darin tatsächlich nur noch zwei Frauen: Heimatschutzministerin Janet Napolitano und Gesundheitsministerin Kathleen Sebelius, kommissarisch leitet Rebecca Blank derzeit das Handelsministerium. Dabei verdankt Obama seine Wiederwahl vor allem Einwanderern und Frauen. Nun hat er also Pierson in ein wichtiges Amt gehoben, wenn auch außerhalb des Kabinetts.
Obama begründete seine Entscheidung natürlich anders: Pierson sei nach 30 Jahren im Dienste der Sicherheitsbehörde "ausgesprochen qualifiziert" für den Posten. Ihr Vorgänger Mark Sullivan hatte sich im Februar in den Ruhestand verabschiedet. In einem Statement zeigte der sich fast schon enthusiastisch über die Nachfolge: Seine ehemalige Stabschefin habe "Führungsqualitäten, Charakter und Hingabe für ihr Land, die Männer und Frauen vom Secret Service und die Menschen, die sie beschützen".
"Das gibt einen kleinen Adrenalin-Kick"
Pierson ist seit 1983 beim Secret Service. Ihre Karriere begann die Hobby-Golferin als Polizistin in Orlando. Der Washington Post zufolge interessierte sie sich schon in der High School für einen Job bei den Personenschützern - angeblich nachdem sie an einem Pfadfinder-Programm teilgenommen hatte hat, bei dem die Kinder lernen sollten, Gesetze und Regeln durchzusetzen.
Beim Secret Service war Pierson bislang unter anderem für das Personal und die technischen Systeme verantwortlich. Vor fünf Jahren wurde ihr der "Presidential Meritorious Executive Award" für außergewöhnliche Leistung im Job verliehen. Was sie vor allem an ihrer Arbeit schätze, sei, dass kein Tag wie der andere verlaufe, sagte Pierson der Washington Post. "Die Aufgaben sind vielfältig und man muss sich schnell darauf einstellen." Es könne passieren, "dass du am Morgen einen Kriminalfall ermittelst und am Nachmittag beschützt du dann den Präsidenten der Vereinigten Staaten. Das gibt einen kleinen Adrenalin-Kick."
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