Dienstag, 22. Januar 2013

+++OLIVER KAHN bloggt - No.9+++



Liebe Fußball-Fans,

mit der Verpflichtung von Pep Guardiola hat der FC Bayern europaweit Aufsehen erregt. Dass der Spanier die Angebote von finanzstarken Klubs wie Manchester City, Chelsea oder Paris St. Germain ausschlug und sich für München entschied, wird mit einer Mischung aus Verwunderung und Respekt zur Kenntnis genommen. Die englische Zeitung Daily Mail schreibt beispielsweise, die Verpflichtung Guardiolas sei „ein krachender Schlag auch für (...) Interessenten aus der Premier League. Der deutsche Gigant gewinnt“.
Nach 14 Titeln in vier Jahren mit dem FC Barcelona genießt Guardiola ein enorm hohes Ansehen. Im Fanorakel hält eine deutliche Mehrheit den Spanier für den aktuell besten Trainer der Welt. Eine deutliche Mehrheit meint zudem, dass der 42-Jährige die Bayern zur Nummer 1 in Europa machen wird.
Die Verpflichtung von Pep Guardiola bedeutet für den FC Bayern eine Weichenstellung. Guardiola und Sportvorstand Matthias Sammer haben jetzt die Möglichkeit, den Klub perspektivisch zu entwickeln und nachhaltig zu verändern.
Schafft Guardiola auch in München den klassischen Mittelstürmer ab?
Wer Guardiolas Wirken in Barcelona verfolgt, erkennt schnell, dass Langfristigkeit ein wesentlicher Faktor der dortigen Erfolge ist. Sein Konzept basiert im Wesentlichen auf Spielintelligenz und technischer Perfektion. Dass Guardiola so gut zum FC Barcelona gepasst hat, lässt sich auch damit erklären, dass er selbst diesem Spielertypus entsprochen hat. Ich erinnere mich an ein Halbfinale im UEFA-Cup 1996, als wir mit den Bayern auf Guardiola und Barcelona trafen. Seine besondere Stärke war der Kopf: die Antizipation fürs Spiel, das machte ihn zu einem so wichtigen Spieler.

Als Trainer hat Guardiola Barcas Stil in den letzten Jahren immer weiter entwickelt, zum Teil hat er auch interessante Veränderungen vorgenommen. So hat er zum Beispiel den klassischen Mittelstürmer abgeschafft und dafür Superstars wie Eto`o oder Ibrahimovic verkauft. Seine sogenannte „falsche 9“ ist eine Mischung aus Stürmer und Spielgestalter, die sich immer wieder zwischen die Defensivketten fallen lässt, um sich den Gegenspielern zu entziehen und selbst den tödlichen Pass zu spielen. Lionel Messi hat in seiner Entwicklung deutlich von dieser Positionsänderung Guardiolas profitiert. Es wird spannend zu beobachten sein, ob auch der FC Bayern in Zukunft mit einer „falschen 9“ spielen wird.
Bei Guardiola sind nicht alle Spieler gleich.
Zentrales Element bei Guardiola ist der Ballbesitz. Aber anders als bei Louis van Gaal, wo der Ballbesitz oft Selbstzweck war, soll das Spiel bei Guardiola schnell und unberechenbar bleiben. Die Akteure müssen schon vor der Ballannahme das Spielfeld im Auge haben, um ihre nächsten Aktionen zu antizipieren. Das erfordert hohe Konzentration und hohe technische Qualität. Bei Ballverlust soll die Mannschaft binnen weniger Sekunden den Ball zurückerobern. Gelingt dies nicht, zieht sie sich zurück, um bei einem Fehler des Gegners sofort wieder mit dem Pressing zu beginnen. Dafür ist es wichtig, dass sich die Mannschaft permanent verschiebt und sich die Spieler untereinander helfen, damit das Gesamtgefüge immer kompakt bleibt. Wer nicht bereit ist, diese Kollektiv-Bewegungen mitzumachen, wird es in Guardiolas System sehr schwer haben.
Dieser kollektive Systemgedanke bedeutet jedoch nicht, dass bei Guardiola alle Spieler gleich sind. Er hat einmal gesagt, dass es eine Lüge sei, wenn Trainer behaupten, alle Spieler wären gleich. Guardiola hat stets versucht, auf die unterschiedlichen Charaktere im Team individuell einzugehen. Darüber hinaus zog Guardiola immer wieder Spieler aus der Jugend zu den Profis hoch, damit sie dort Erfahrungen sammeln konnten, um dann als Führungsspieler für das Jugendteam noch wertvoller zu sein.

Guardiola kann Bayern zur Nummer 1 in Europa machen

Guardiola wird so intelligent sein, das Barca-System nicht eins zu eins dem FC Bayern überzustülpen. Anders als die Barca-Spieler sind die Bayern-Spieler nicht mit diesen Automatismen aufgewachsen. Sie zu verinnerlichen, wird naturgemäß nicht von heute auf morgen funktionieren.
Sollte es Guardiola und Sportvorstand Sammer aber gelingen, eine durchgängige Philosophie zu entwickeln und zu implementieren, stellt das einen entscheidenden Wettbewerbsfaktor im Kampf um die Nummer 1 in Europa dar.
Für die Bundesliga wäre eine solche Entwicklung übrigens keine gute Nachricht. Statt mit einem Fernglas müsste man den FC Bayern dann mit einem Teleskop an der Tabellenspitze suchen...

Euer Oliver.

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