Dienstag, 11. Dezember 2012

+++Deutsche Grundschüler sind gut, aber nicht sehr gut+++



Grundschüler in Deutschland schneiden im internationalen Vergleich gut ab: Beim Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften landen Viertklässler bei den aktuellen Iglu- und Timss-Studien erneut im oberen Drittel - verbessert haben sie sich allerdings nicht.

Hongkong auf Platz eins, Russland, USA, einige europäische Länder, dann kommt Deutschland: Viertklässler hierzulande erreichen beim Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften erneut überdurchschnittliche Leistungen. Im internationalen Vergleich landen die Grundschüler im oberen Drittel. Damit liegt Deutschland laut Bildungsforscher Wilfried Bos auf Augenhöhe mit den Niederlanden, Tschechien, Schweden und Italien.

Das geht aus der aktuellen Iglu-Lesestudie und der Timss-Mathematikstudie hervor, die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. "Wir haben unsere hohe Position halten können", sagte Bos, der das Institut für Schulentwicklungsforschung der Technischen Universität Dortmund leitet. Bos zufolge habe Deutschland ähnlich gut abgeschnitten wie bei vergleichbaren Studien im Jahr 2001 - obwohl es inzwischen "erschwerte Bedingungen" gebe: 2011 seien sechs Prozent mehr Kinder mit Migrationshintergrund in den Schulen gewesen.

Bei der Timss-Untersuchung geht es um Mathematik und Naturwissenschaften, bei der Iglu-Studie um die Lesekompetenzen von Viertklässlern. Die Tests für beide Untersuchungen fanden im Frühsommer 2011 in allen 16 Bundesländern statt. Rund 4600 Schüler an 200 zufällig ausgewählten Grund- und Förderschulen haben mitgemacht. Die Abkürzungen stehen für Trends in International Mathematics and Science Study und Internationale Grundschul-Lese-Untersuchung. Außerhalb Deutschlands heißt die Studie PIRLS, Progress in International Reading Literacy Study.

An der Iglu-Studie hatten 45 Staaten teilgenommen. Erneut liegen die Schüler aus Hongkong bei Lesen und Textverständnis an der Spitze. Die Schüler sind dort ein gutes halbes Schuljahr weiter als deutsche Zehnjährige. Insgesamt erreichen zwölf Staaten deutlich bessere Testleistungen als Deutschland, darunter Finnland, Dänemark, Irland und England. Die deutschen Kinder liegen aber immer noch deutlich über dem internationalen Mittelwert und dem Durchschnittsergebnis der anderen EU-Staaten.

Vergleicht man die zwei Iglu-Erhebungen aus den Jahren 2001 und 2006 mit der aktuellen aus 2011, zeigt sich: Deutschland konnte die Verbesserung, die sich 2006 im Vergleich zu 2001 eingestellt hatte, im Jahr 2011 nicht fortsetzen. Vielmehr entsprechen die Leistungen von 2011 in etwa dem Leistungsniveau von 2001. Besonders Sachtexte fallen den Kindern schwer. Nach wie vor erreicht mehr als jedes sechste Grundschulkind in Deutschland ein nicht ausreichendes Kompetenzniveau im Lesen, dieser Anteil hat sich im Vergleich zu 2001 nicht verändert.

Auch in Mathe liegen die deutschen Schüler im oberen Drittel, 50 Staaten nahmen an der Timss-Untersuchung teil. Ihre Leistungen haben sich im Vergleich zu der Studie von 2007 kaum verändert. 13 Staaten erzielen dabei deutlich bessere Testleistungen als Deutschland, darunter Belgien, Finnland, England, die Niederlande und Dänemark.

Die vorherige Timss-Studie von 2007 hatte ergeben, dass deutsche Grundschüler mit ihren Leistungen in Mathematik und Naturwissenschaften weltweit im vorderen Mittelfeld liegen. Die deutschen Viertklässler kamen auf Rang 12 von 40 Staaten.

Vor wenigen Wochen erst hatte eine Bildungsstudie gezeigt, wie die Leistungen der Grundschüler in den einzelnen Bundesländern sind: Wie so oft dominierten in allen drei getesteten Disziplinen - Lesen, Zuhören, Mathematik - in der Spitzengruppe überwiegend Länder aus dem Süden Deutschlands. Danach folgt im Leistungsranking ein sehr breites Mittelfeld mit marginalen Punktunterschieden. Erhebliche Probleme in allen drei Disziplinen haben dagegen die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg.

Bildungsexperten raten allerdings seit Jahren, nicht ganze Bundesländer miteinander zu vergleichen, sondern besser Regionen mit ähnlichen Wirtschaftsstrukturen und Problemlagen. Also etwa Berlin mit dem Ruhrgebiet wegen der hohen Ausländerquoten unter den Schülern oder ländliche Gebiete im Osten mit denen im Westen wegen Abwanderung und Bevölkerungsrückgang.
Viele Kinder bleiben dauerhaft außen vor

Dass vieles nicht rund läuft an deutschen Schulen, das hatte auch - und erneut - der letzte Bundesbildungsbericht gezeigt. Er dokumentierte zwar, dass es immer mehr Abiturienten und Studenten gibt und das Bildungssystem durchlässiger geworden ist - dass die Bildungschancen also steigen. Aber es zeigte sich auch, dass eine Schicht von 15 bis 20 Prozent der Kinder und Jugendlichen von diesen Chancen dauerhaft ausgeschlossen bleibt. Sie können nicht richtig lesen oder Texte verstehen, brechen die Schule oder die Lehre ab und nehmen auch nicht an Weiterbildungskursen teil.

Die Probleme der deutschen Schulen beginnen nämlich in der Regel erst mit der 5. Schulklasse.

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